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Wenn einen ganz kalt die Wirklichkeit einholt

Berlin-Mitte,

102.000 Einwohner.

Der Alexanderplatz ist der größte Platz Berlins, der gern auf ein saloppes Alex verknappt wird. Große Literatur geht damit eher nicht, weswegen Alfred Döblin doch lieber „Berlin Alexanderplatz“ schrieb.

Das Kind und ich laufen über den Alexanderplatz, Kopfhörer auf den Ohren: Eine Freundin hat hier Radioworkshops mit jugendlichen Obdachlosen gemacht. Ein einstündiges Feature für den Deutschlandfunk ist daraus entstanden, über die Kids vom Alex. Das hören wir jetzt.

Unter der S-Bahn-Brücke umflattern Tauben ein Bündel aus Kleidern und Müll. Über uns donnert die Stadtbahn. Es riecht wie immer: Nach Urin, nach Taubenkacke, diffus nach Essen – Döner? Pizza? Eklig, und auch irgendwie geil. Das Bündel bewegt sich, es ist ein Mensch, Tauben picken an ihm. An meiner Hand dreht sich der Siebenjährige um, auch als Großstadtkind noch angemessen erschreckt von der faszinierenden Brutalität dieses Ortes. Oder auch von der Parallelität der Ereignisse – der Podcast, die Realität unter der Brücke.

Am Ende gibt es Tee und Kekse mit den RadiomacherInnen unterm Fernsehturm. Es ist kalt, weil November.

Abends ist jetzt wieder der Kältebus der Stadtmission unterwegs und verteilt Schlafsäcke und heißen Tee. Man kann dafür spenden. Ich puste in meinen Tee und nehme mir vor, genau das zu tun. Anna Klöpper

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