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„Philosophie bedeutet, Klarheit zu schaffen“

Bei der Kinderbuchmesse in Oldenburg geht es um Philosophie

Jörg Bernardy

Jahrgang 1982, ist promovierter Philosoph, freier Autor und philosophiert auch an Schulen.

Interview Teresa Wolny

taz: Herr Bernardy, das Motto der Messe ist „Gedankensprünge“ – was bedeutet das?

Jörg Bernardy: Zum einen reagiert dieses Wort auf die Beschleunigung, die uns heute in vielen Bereichen umgibt. Zum anderen beschreibt der Begriff eine Form von vernetztem Denken. Nicht umsonst gibt es die Phrase, über Gott und die Welt zu reden. Philosophieren bedeutet, dass wir Dinge zusammenbringen, die sonst nicht zusammengehören.

Und die dritte Ebene?

Die beschreibt Gedankensprünge aus Aussetzer oder Unregelmäßigkeit. In der Medizin werden Gedankensprünge teilweise als etwas Pathologisches behandelt. Statt sie als nicht normal zu bezeichnen, können wir solche Unregelmäßigkeiten bewusst einsetzen, um die Grenzen unseres Denkens zu erweitern. Was rein medizinisch betrachtet etwa als Logikfehler gilt, hat im Bereich der Kunst das große Potenzial, zu komplett neuen Ideen zu führen.

Kinder stellen oft sehr grundsätzliche Fragen – sind die automatisch philosophisch?

Es gibt da schon einen Unterschied. Bei den großen philosophischen Fragen geht es oft um Begriffe wie Freiheit, Mut oder Gerechtigkeit. Obwohl die Fragen intuitiv vielleicht da sind – etwa auch die, ob die Henne oder das Ei zuerst da war –, muss man die Kinder da durchaus heranführen. Deshalb arbeiten wir auch mit Bilderbüchern oder Geschichten, um von der alltäglichen auf die abstrakte Ebene zu kommen.

Warum ist das wichtig?

Kinder- und Jugendbuchmesse (KIBUM) Oldenburg, bis  23.11., Programm mit Livestreams auf https://www.kibum.de/

Kinder kriegen heute viel mehr mit von der Welt als früher. Dabei müssen sie auch immer mehr Informationen verarbeiten. Wir sehen das an den Veränderungen im Kinderbuchmarkt, wo immer mehr Dinge thematisiert werden, Sexualität etwa oder Empowerment. Wir reden viel früher mit Kindern über sensible Themen und dafür kann Psychologie, vor allem aber auch Philosophie sehr hilfreich sein. Denn Philosophieren bedeutet immer auch, Klarheit zu schaffen. Weil sie immer früher immer mehr wissen, werden Kinder immer frühreifer, das stelle ich selbst oft fest.

Was für Erfahrungen machen Sie noch?

Es ist etwas sehr Besonderes, Kindern beim Denken zuzusehen, dabei, wie sie neue Erfahrungen machen. Häufig bedanken sie sich und sagen, dass es toll war, endlich mal zu denken und zu sagen, was sie wollen. Ich hoffe sehr, dass wir in den nächsten zehn Jahren dahin kommen, Ethik und Philosophie an den Grundschulen zu verankern. Es reicht nicht, unseren Geist zu schulen. Genauso wichtig ist es eine emotionale Intelligenz zu entwickeln.

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