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Der digitale Versuch eines bilateralen Neustarts

Die Präsidenten von China und den USA versuchen bei ihrem Videogipfel mit freundlicher Rhetorik die Wogen zu glätten. Doch haben sie kaum Spielraum für Kompromisse

US-Präsident Joe Biden beim Video­gespräch im Weißen Haus mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Peking Foto: Zuma Wire/imago

Aus Peking Fabian Kretschmer

Das Foto, das Chinas Staatsmedien kurz nach Beginn des Videogipfels veröffentlichten, spricht Bände: US-Präsident Joe Biden lächelt strahlend wie aus einer Colgate-Reklame. Auch sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping wirkt für seine Verhältnisse sehr herzlich. Der 68-Jährige nannte Biden gar einen „alten Freund“. Natürlich ist dies nur eine rein symbolische Geste, aber doch bedeutsam. Die US-chinesischen Beziehungen sind schließlich so schlecht wie seit über drei Jahrzehnten nicht mehr, und der betont freundliche Ton plus das mit dreieinhalb Stunden ungewöhnlich lange Gespräch deuten auf einen aufrichtigen Versuch zum gemeinsamen Neustart hin.

Biden sprach vom Wunsch, „dass der Wettbewerb zwischen unseren Ländern nicht in einen Konflikt ausartet, ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt“. Xi sagte, beide Seiten müssten konstruktiv mit ihren Differenzen umgehen, „um zu verhindern, dass die chinesisch-amerikanischen Beziehungen vom Kurs abkommen und außer Kontrolle geraten“. Doch darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die inhaltliche Schnittmenge für Kooperation ziemlich klein ist. Xi nannte explizit die Coronapandemie und den globalen Klimawandel als Felder für gemeinsame Anstrengungen. Bei allen anderen Kernfragen jedoch sehen die meisten Beobachter kaum Hoffnung auf Kompromisse.

Besonders die Taiwan-Frage ist in den letzten Monaten ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt: Biden nannte es das „heikelste und wichtigste Thema in den bilateralen Beziehungen“; eine Einschätzung, die jetzt auch von vielen europäischen Staaten geteilt wird. Peking hat in den letzten Monaten immer öfter Kampfflugzeuge in die Luftverteidigungsidentifizierungszone des Inselstaats entsandt und seinen Machtanspruch auf die „abtrünnige Provinz“ immer unverhohlener ausgedrückt. Auch jetzt sagte Xi: Man sei zwar „geduldig“ und bemühe sich aufrichtig um eine „friedliche Wiedervereinigung“. Aber: „Wenn die Unabhängigkeitskräfte in Taiwan provozieren und die rote Linie durchbrechen, müssen wir energische Maßnahmen ergreifen.“ Und an die USA gerichtet, die Taiwan Waffen liefern: „Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich selbst.“

Auch bei den Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und der politischen Machtdemonstration in Hongkong wird Peking unter Xi keinen Zentimeter von seiner Position abrücken. Wer sich unter westlichen Diplomaten umhört, hegt daran keinen Zweifel.

Beim Thema Taiwan sind die Fronten zwischen Peking und Washington besonders verhärtet

Vor Xis Amtszeit, so heißt es oft, hätten sich chinesische Regierungsvertreter zumindest noch die Kritik angehört. Mittlerweile perlt jede „Einmischung in innere Angelegenheiten“ vollständig ab. Seit Kurzem führt nicht selten das bloße Erwähnen von Reizwörtern wie Xinjiang oder Hongkong zu aggressiven Zurechtweisungen.

Umso wichtiger ist es, dass die zwei führenden Weltmächte im Gespräch bleiben. Der Gipfel war zumindest die erste „persönliche“ (wenn auch virtuelle) Begegnung der beiden Staatschefs, die zuvor nur Telefonate geführt hatten. Doch solange sich Xi wegen der Coronapandemie weiter weigert, China zu verlassen oder ausländische Staatschefs persönlich zu empfangen, dürfte es auch im US-chinesischen Konflikt zu keinen Durchbrüchen kommen. Denn für Vertrauensbildung und das Austarieren von Differenzen kann ein Zoom-Call ein Vieraugengespräch nicht ersetzen. Schon bei der gegenseitigen Bezeichnung gibt es zwischen den zwei mächtigsten Männern der Welt keinen Konsens. Nach dem Gipfel betonte eine Sprecherin Bidens, dass er Xi sicher nicht als „alten Freund“ bezeichne.

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