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Berghain, hausgemacht

Bremen ist zu klein für Flaggschiffe wie das Berghain und das SchwuZ. Queere Partys werden häufig von Kollektiven organisiert, wobei die Aktivitäten insgesamt nachgelassen haben: Queere Menschen gehen mehr als früher auch zu nichtqueeren Partys

„Bündnisse lassen sich heute schneller bilden und sind temporärer“

Thomas Böker, Kunst- und Kulturverein Spedition in Bremen

Von Teresa Wolny

Dass die Berliner Clubs wieder öffnen, kann und sollte man feiern. Im SchwuZ oder Berghain gibt es endlich wieder Raum zum Tanzen, Raum, um den Alltag zu vergessen, und vor allem Raum, in dem queere Menschen sein können, wie sie sind. In Berlin hat dieser Raum tatsächlich Räumlichkeiten. In Städten wie Bremen dagegen muss, wer queere Partys feiern will, oft selbst anpacken.

„Bremen ist eine Stadt, wo Räume immer wieder organisiert und oft auch erkämpft werden mussten“, sagt Thomas Böker vom Kunst- und Kulturverein Spedition, in dessen Räumen auf dem alten Güterbahnhofsgelände neben Partys und Konzerten auch Ausstellungen und Workshops stattfinden.

In den 90er Jahren war Böker etwa beim Kraß oder beim Queerdance mit dabei, beide Gruppen haben unter anderem queere Veranstaltungen organisiert. Verglichen mit damals seien die Organisationsprozesse heute fluider und diverser. „Bündnisse lassen sich heute schneller bilden und sind temporärer“, sagt Böker. Und so wie in Berlin jetzt die Clubs öffnen, fangen in Bremen die Kollektive wieder an, Partys zu schmeißen. „Wir wollen Räume schaffen, in denen sich Leute wohlfühlen“, sagt Nona Bonery vom Maquillage-Kollektiv, das seit vier Jahren regelmäßig gleichnamige Partys organisiert.

Bonery ist ein Pseudonym. Aufgrund von queerfeindlichen Drohungen in der Vergangenheit möchte sie ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Die Maquillage sieht sich als offener Ort für die Szene, als Gruppe, die unterschiedliche Perspektiven des Queerseins zusammenbringt.

Maquillage entstand vor vier Jahren nach einer privaten Dragparty. Mittlerweile sind zu den Partys auch Konzerte, Filmreihen, Bar- und Gameshow-Abende dazugekommen. Oft kooperiert die Maquillage dabei mit anderen Kollektiven. Das Zucker, das Queerfilmfestival oder das Queeraspora-Kollektiv, das sich für queere Menschen mit Migrationsgeschichte einsetzt, sind nur einige Namen. „Wir suchen eigentlich immer nach Gruppen, mit denen man zusammenarbeiten kann“, sagt Bonery.

Sie alle eint vor allem der Wunsch nach mehr Räumen. Die gab es schon mal: „Die Zeit Anfang der 2000er war in Bremen sicher eine besondere. Damals gab es jedes Jahr mehr als 50 Partys“, sagt Christian Linker, Geschäftsführer des queeren Beratungszentrums Rat & Tat, zu dem auch das Kweer gehört, das mal Kneipe, mal Café und mal Veranstaltungsort ist.

Für Linker hat der Partyrückgang der letzten zwanzig Jahre mehrere Gründe. Die Raummieten seien gestiegen, außerdem sei früher mehr ehrenamtlich organisiert worden. „Ein großer Antrieb war damals, mit den Partys Sponsoring für Projekte zu machen“, sagt Linker. Auch der gesellschaftliche Wandel spiele eine Rolle, queere Menschen gingen mehr als früher auch zu nichtqueeren Partys.

Das funktioniert auch andersherum: Die Partys von Maquillage werden von „Queers and allies“ geplant und besucht, also auch von heterosexuellen Menschen. „Der Fokus liegt auf einem extravaganten Line-up“, sagt Bonery. Das funktioniert. Die Maquillage musste sich um Publikum bisher keine Sorgen machen.

Was sich in der queeren Partyszene Bremens durch die Pandemie verändert hat, kann Bonery nicht sagen. „Es gab so viele Monate Stillstand, da sind viele Kollektive ins Straucheln gekommen, egal ob queer oder nicht.“ Was in Zukunft vielleicht anders ist, könne man erst in ein paar Monaten sehen.

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