Kommentar vonHannes Koch zu den neuen Enthüllungen über milliardenschweren Steuerbetrug
: Finanzministerium: Grün ist die Hoffnung

Mit solchen Summen könnte die neue Regierung einige ihrer Pläne bezahlen. Bis zu 36 Milliarden Euro sollen den hiesigen Finanzämtern durch spe­zielle Modelle von Steuerhinterziehung zwischen 2000 und 2020 verloren gegangen sein. Das belegen Jour­na­lis­t:in­nen unter anderem von NDR und Correctiv in einer neuen Recherche. Weltweit beträgt der Schaden zulasten des Gemeinwohls mindestens 150 Milliarden. SPD, Grüne und FDP sollten das als Aufforderung verstehen, in ihrem Koalitionsvertrag wirksame Maßnahmen gegen die Ausplünderung des Staates zu vereinbaren.

Es geht vor allem um zwei Varianten des Steuerbetrugs durch Banken und Investoren. Mit dem sogenannten Cum-Ex-Trick ließen sich Ak­tio­nä­r:in­nen die Kapitalertragsteuer auf Dividenden­gewinne mehrfach zurückerstatten, obwohl sie nur einmal gezahlt worden war. Beim Cum-Cum-Betrug erhalten ausländische Investoren eine Steuerrückerstattung, die nur Inländern zusteht. Viele Details hat ein Untersuchungsausschuss des Bundestages in der zurückliegenden Wahlperiode aufgeklärt. Wir wissen, dass das CDU-, später SPD-geführte Bundesfinanzministerium lange einfach zu- oder auch wegschaute, schließlich aber einige Gesetzeslücken schloss. Trotzdem scheinen bestimmte anrüchige Transaktionen weiterzulaufen – wobei das Ministerium dies bezweifelt.

Möglicherweise ist der Staat noch immer zu nachsichtig. Finanzministerium und Bundes­zentralamt für Steuern handeln nicht schnell ­genug, wenn sie Informationen über illegitime und illegale Steuersparmodelle erhalten. Eine zu große persönliche und weltanschauliche Nähe zu Geldinstituten, Investoren und ihren ­Lobby­organisationen mag dabei eine Rolle ­spielen.

Vermutlich ist der finanzielle Schaden für die Allgemeinheit noch größer als jetzt bekannt. Umsatzsteuerbetrug, Geldwäsche – Kri­ti­ke­r:in­nen sagen, dass Deutschland in mancher Hinsicht ebenfalls eine Steueroase ist. Was helfen könnte: präventives Durchleuchten möglicher Schlupf­löcher, härtere Gesetze ohne Mithilfe der Bankenverbände, mehr Personal für die Steuerfahndung und die Staatsanwaltschaften.

Kriminalität gibt es zwar immer. Aber der Staat muss ihr nicht zuschauen. Ob sich das beim jetzigen SPD-Finanzminister und Bundeskanzler in spe Olaf Scholz schon komplett durchgesetzt hat, ist nicht sicher. Bei der kapitalfreundlichen FDP wäre das Bundesfinanzministerium erst recht schlecht aufgehoben. In der neuen Regierung ist nur den Grünen zuzutrauen, dass sie über eine ausreichende Distanz zur Finanzlobby verfügen.