Wes Andersons „The French Dispatch“: Von allem etwas zu viel

Eine Liebeserklärung an den Magazinjournalismus und eine Hommage an den New Yorker. Die neue Komödie von Wes Anderson.

Benicio de Toro in Gefangenenkleidung in einer Zelle, bewacht Léa Seydoux

Der Künstler Moses Rosenthaler (Benicio del Toro) und seine Muse (Léa Seydoux) Foto: Walt Disney Germany

Journalismus ist ein beliebtes Sujet im Film. Oft hat man es dabei mit Enthüllungsjournalismus zu tun. Klassisch etwa „Die Unbestechlichen“ (1976) von Alan J. Pakula über die Watergate-Affäre, aus jüngerer Zeit wäre Tom McCarthys „Spotlight“ von 2015 über die Aufdeckung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche durch das Investigativteam der Zeitung Boston Globe zu nennen. Das Produkt hingegen, die Zeitungen selbst, spielt in diesen Filmen eine untergeordnete Rolle.

Diesen Missstand behebt der US-amerikanische Regisseur Wes Anderson mit seiner Komödie „The French Dispatch“. Die titelgebende Depesche, mit väterlich strenger Hand geleitet von Chefredakteur Arthur Ho­witzer Jr. (Bill Murray), ist ein fiktives US-amerikanisches Magazin mit Redaktionssitz im französischen Städtchen Ennui-sur-Blasé, ebenfalls fiktiv. Dort hat der in Kansas geborene Howitzer Jr. The French Dispatch als französischen Ableger der Zeitung Liberty Kansas Evening Sun gegründet.

All diese Dinge erfährt man zu Beginn des Films von der aus dem Off sprechenden Erzählerin, im Original mit der Stimme der Schauspielerin Anjelica Huston. Sie begleitet uns durch die Redaktionsräume, führt kurz einige der prominenten Autoren vor: die Kunstkritikerin J. K. L. Berensen (Tilda Swinton), den „Radsportreporter“ Herbsaint Sazerac (Owen Wilson), die für Politik zuständige Journalistin Lucinda Krementz (Frances McDormand) oder den Gastrokritiker Roebuck Wright (Jeffrey Wright).

Die letzte Ausgabe des French Dispatch

Anderson zeigt jedoch nicht so sehr die Autoren als vielmehr ihre Arbeit selbst. In einzelne Kapitel mit Inhaltsangaben inklusive Seitenzahlen eingeteilt, erzählt der Film die Geschichten der letzten Ausgabe von The French Dispatch. Vorbild war für ihn der New Yorker, was auch in der grafischen Gestaltung des Blatts durchscheint. Der Film ist mithin ein Episodenfilm, jede davon mit einem in sich abgeschlossenen Text als Vorlage.

„The French Dispatch“: Regie: Wes Anderson. Mit Benicio del Toro, Frances McDormand u. a. Deutschland/USA 2021, 108 Min.

Von J. K. L. Berensen gibt es „The Concrete Masterpiece“, den Bericht über das künstlerische Schaffen des wegen Mordes in einem Gefängnis einsitzenden Malers Moses Rosenthaler (Benicio del Toro). Man sieht den Künstler bei der Arbeit an der Leinwand, ein Nacktmodell vor sich, gegeben von Léa Seydoux. Die sich nach ihrem Einsatz hinter einem Paravent ankleidet, um darauf als Gefängniswärterin den Häftling in seine Zelle zurückzubegleiten.

Die Geschichte, wie dieser psychopathische Mörder von einem skrupellosen Kunsthändler (Adrien Brody) entdeckt und zur Auktionssensation hochgehandelt wird, ist in Schwarzweiß gehalten, vereinzelt durchsetzt von farbigen Momenten. Ästhetisch stellt Anderson darin schon den Großteil der Mittel vor, die er einsetzt, um den Eindruck des Blätterns in einer Zeitschrift nachzuvollziehen.

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Die Doppelseite mit großformatiger Fotografie

So gibt es Szenen, in denen großer Tumult herrscht, die als statische Tableaus gefilmt sind. Die Protagonisten stehen und sitzen in ihren Handlungen und Bewegungen eingefroren im Bild, wie eine aufgeschlagene Doppelseite mit großformatiger Fotografie.

Anderes ist noch spielerischer geraten, etwa die an seinen Animationsfilm „Isle of Dogs“ erinnernden Stop-Motion-Sequenzen, in denen sich ein Flugzeugmodell mit offenliegendem Inneren in Bewegung setzt, oder das häufig wechselnde Bildformat. Zwischendurch ist Berensen selbst im Bild, wie sie bei ­einem Vortrag vor Publikum im extravaganten orange Kleid die Geschichte ihrer Begegnung mit Rosenthaler erzählt.

Von Beitrag zu Beitrag bewegt sich der Film durch das Magazin, in dem Lucinda Krementz von den Studentenunruhen der 68er in Frankreich erzählt, wie sie sich vom verschlafenen Ennui-sur-Blasé aus gesehen darstellen. Sie begleitet dazu den charismatischen Studenten Zeffirelli (Timothée Chalamet) und vergisst zwischendurch schon mal die professionelle Distanz. Der Gastrokritiker Roebuck Wright wiederum erlebt, wie der Polizeikoch Nescafier (Steve Park) einem Kommissar (Mathieu Amalric) bei der Arbeit hilft.

Gespickt mit Stars

Die einzelnen Geschichten sind vollgestopft mit Stars. Anderson hat anscheinend so viele Darsteller für sein Vorhaben begeistern können, dass sie sich selbst mit Kleinstrollen zufriedengaben, um diese würdig auszufüllen. Willem Dafoe, Elisabeth Moss, Edward Norton oder Saoirse Ronan sprechen bei ihren Auftritten wenig mehr als ein, zwei Sätze.

Man fühlt sich wie vor einer exquisiten Pralinenschachtel, von der ein, zwei Stück hervorragend schmecken mögen

Ein wenig ist dies auch das Problem an Andersons schöner Idee, die heroische Zeit des Magazinjournalismus zu würdigen. Von allem ist es am Ende ein bisschen viel. Zu den genannten filmischen Einfällen kommt gegen Ende noch eine Animationssequenz hinzu, die wie alle anderen Ideen, die Anderson versammelt hat, für sich genommen sehr liebevoll gestaltet und wunderbar anzusehen sind, einschließlich der an die schrullige Lakonik eines Erik Satie angelehnten Filmmusik von Alexandre Desplat.

Der Film zerfällt darüber allerdings in lauter Vignetten, die sich gegenseitig ausbremsen und deren ausgestellte Künstlichkeit für zunehmende Dis­tanz beim Betrachten sorgt. Man fühlt sich wie vor einer exquisiten Pralinenschachtel, von der ein, zwei Stück hervorragend schmecken mögen, die man aber besser nicht in einem Zug aufessen sollte. Wie die Marrons glacés, die im Gefängnis von Moses Rosenthaler zur Bestechung der Wächter dienen.

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