Streit um Trinkwasserressourcen: Hamburg gräbt Heide das Wasser ab

Hamburg will mehr Grundwasser im Landkreis Harburg fördern, dieser aber nicht so viel rausrücken wie gewünscht. Jetzt trifft man sich vor Gericht.

Heide mit Heidekraut einem Baum und einem See

Säuft ordentlich was weg: Lüneburger Heide Foto: imago

HAMBURG taz | Hamburg streitet sich mit dem benachbarten Landkreis Harburg darüber, wie viel Grundwasser es aus der Nordheide abzapfen darf. Der Streit schwelt schon lange. Ab Mittwoch wird er vor dem Verwaltungsgericht im niedersächsischen Lüneburg verhandelt.

Der Stadtstaat deckt derzeit 13 Prozent seiner Trinkwasserversorgung mit Grundwasser aus der Nordheide. Hamburg möchte die absolute Menge steigern, schließlich ist die Stadt gewachsen und soll dies auch weiter tun. Weil der Landkreis Harburg die beantragte Menge nicht zugestehen will, hat Hamburg Wasser geklagt. Das städtische Unternehmen „sieht die Versorgungssicherheit Hamburgs bedroht“.

Ebenfalls geklagt haben fünf weitere Parteien – allerdings, weil sie die genehmigten Fördermengen für zu hoch halten. „Schon bei der alten genehmigten Fördermenge haben wir gesehen, dass immer mehr Bäche und Flüsse trocken fallen“, sagt Gerhard Schierhorn vom Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz. Weitere Kläger sind die Klosterkammer Hannover und drei Privatleute, die Land oder Wald bewirtschaften und Fische züchten.

Hamburg bereitet schon seit 1974 Grundwasser aus der Heide zu Trinkwasser auf. Durchschnittlich 15,7 Millionen Kubikmeter im Jahr hat die Stadt gefördert. Hamburg Wasser würde sich gerne 18,4 Millionen bewilligen lassen. Eine Umweltverträglichkeitsstudie und mehrere Gutachten zeigten, „dass die beantragte Menge mit den Anforderungen des Wasserrechts, des Umwelt- und Naturschutzes und der Belange der Land- und Forstwirtschaft vereinbar ist“. Dies habe auch das begleitende Monitoring bestätigt.

Das Trinkwasser in Hamburg kommt zu 63 Prozent aus dem Stadtstaat selbst, zu 24 Prozent aus Schleswig-Holstein und zu 13 Prozent aus der Nordheide.

Das erste Abkommen zur Grundwasserförderung wurde 1974 geschlossen und lief 30 Jahre.

Die Bevölkerung ist von 1,74 Millionen in 2004 auf 1,85 in 2020 gewachsen. Statt 16,1 Millionen Kubikmeter Wasser will die Stadt 18,4 Millionen fördern dürfen.

Der Landkreis Harburg hat 2019 zwar für die nächsten 30 Jahre bis zu 18,4 Millionen Kubikmeter erlaubt – allerdings nur in einzelnen Jahren. Im Durchschnitt darf die jährliche Fördermenge 16,1 Kubikmeter nicht überschreiten. Diese Regelung mit einer Reihe von Randbedingungen geht auf einen Beschluss des niedersächsischen Landtages von 2014 zurück.

Hamburg Wasser kritisiert das als zu restriktiv. Zudem habe der Landkreis statt der beantragten „Bewilligung“ nur eine „gehobene Erlaubnis“ zur Förderung erteilt. „Im Gegensatz zur Bewilligung könnte diese jederzeit mit nachträglichen Nebenbestimmungen versehen werden oder teilweise oder gar ganz widerrufen werden.“ Das schaffe nicht die nötige Rechtssicherheit für Investitionen.

„Wenn der Landkreis selbst für die öffentliche Trinkwasserversorgung keine Bewilligung zugestehen will, stellt sich die grundsätzliche Frage, wofür die im Gesetz vorgesehene Rechtsform der Bewilligung dann künftig überhaupt noch erteilt werden könnte“, argumentiert Hamburg Wasser in einem Hintergrundpapier. Das Urteil des Gerichts werde daher Signalwirkung weit über Hamburg hinaus haben.

Katja Bendig, Sprecherin des Kreises Harburg sieht kein Problem in der gehobenen Erlaubnis, „weil auch sie die Versorgungssicherheit garantiert“. Dem Landkreis verschaffe sie aber die Möglichkeit nachzujustieren, etwa falls sich der Klimawandel deutlich bemerkbar machen sollte.

Andreas Hesse von der Klosterkammer Hannover befürchtet, dass der durch Trockenheit und Hitze ohnehin schon gestresste Wald zusätzlich leiden könnte, wenn der Grundwasserspiegel sinkt. „Wir haben in dem Entnahmegebiet ziemlich große Forstflächen“, sagt Hesse. Es sei nicht auszuschließen, dass die Grundwasserförderung den Zuwachs vermindere. „Allein die Gefahr gibt uns Anlass, dagegen vorzugehen“, sagt der Kammerdirektor.

Mehr trockene Sommer

Der Klimawandel habe die Situation insgesamt verschärft, warnt Gerhard Schierhorn. Er vertritt die Interessengemeinschaft Nordheide (IGN), die sich schon lange gegen die Hamburger Forderungen wehrt. Mehr trockene Sommer und eine längere Vegetationsperiode, in der die Pflanzen verhinderten, dass Wasser in die Tiefe sickere, schränkten die Grundwasserneubildung ein.

Zwar steigt der Jahresniederschlag im Westen Deutschlands tendenziell – für Schierhorn ist das aber nicht entscheidend: „Es kommt darauf an, wie viel von dem Regen im Grundwasser ankommt“, sagt er.

Schierhorn räumt ein, dass auch die Landwirtschaft viel Grundwasser verbrauche. Hamburgs Menge sei aber um ein Vielfaches höher. Der kombinierte Effekt sei fatal, insbesondere weil einige der Brunnen ausgerechnet in europäischen Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Schutzgebieten lägen. „Es geht um die Höhe der beantragten Menge, nicht um das Ob“, sagt Schierhorn und macht einen Vorschlag: Hamburg könne einen Teil seines Trinkwassers ja wieder aus der Elbe gewinnen.

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