Neues auf Berliner Filmfestivals: Ambige Vorbilder

In der Doku-Sektion beim Achtung Berlin Filmfestivals steht die Beziehung zu Müttern und Vätern im Fokus. Das schönste Ehepaar aber bleibt animiniert.

Eine lachende Frau zündet sich eine Pfeife an

Coole Mutter: Szene aus Melanie Lischkers Dokumenationsfilm „Bild(er) meiner Mutter“ (2021) Foto: © Melanie Lischker

Oft genug glich das Programm des Achtung Berlin Filmfestivals eher einer Wundertüte. Man wusste tatsächlich nie so genau, was man in welcher Qualität bekam, wenn man sich denn ins Kino bemühte. Ein vager Berlin-Bezug – thematisch oder personell – allein macht eben nicht zwingend einen guten Film. Für die diesjährige Ausgabe (7.-12. September, diverse Spielorte) ist zumindest der Dokumentarfilmwettbewerb deutlich stärker thematisch kuratiert worden.

Viele der dort gezeigten Filme beschäftigen sich mit männlichen und weiblichen Rollenmodellen in verschiedenen Kontexten: Da geht es um unter anderem sechs Personen, die von den – überwiegend – problematischen Beziehungen zu ihren Vätern erzählen („Väter unser“); eine Familiengeschichte, bei der sich herausstellt, dass der Vater des Regisseurs schon seit langer Zeit eine zweite Familie hat („When a Farm Goes Aflame“); oder um den Mythos einer großen Liebe zwischen den Großeltern, der sich bei genauerem Hinsehen komplett in Luft auflöst („The Blunder of Love“).

In ihrem Film „Bilder (m)einer Mutter“ zeichnet Regisseurin Melanie Lischker (auch Diplomschnittmeisterin, HFF Potsdam) anhand von alten Super-8-Aufnahmen ihres Vater, Einträgen eines wiedergefundenen Tagebuchs und Gesprächen mit Vater und Bruder das Bild einer Frau, die sich zerrissen sah zwischen einem Frauen- und Familienideal, dem sie meinte entsprechen zu müssen, und dem Drang nach Selbstverwirklichung (Bilder (m)einer Mutter“, 8.9., 19.45 Uhr, Babylon Mitte).

Transationale Archive

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Mit der Veranstaltung „Archival Assembly #1“ findet das über die letzten fünf Jahre immer wieder im Kino Arsenal zu sehende Projekt „Archive außer sich“ – Filme, Veranstaltungen und Diskussionen zum Thema Umgang mit dem filmkulturellen Erbe – ein vorläufiges Ende. Auftakt der Veranstaltung ist das Symposium „After the Archive“, das in vier Paneldiskussionen Themen wie „Transnational Cooperation and Decolonial Strategies in Film Culture Institutions“ und „Film Curatorship Between Theory and Practice“ erörtert.

Die Diskussionen sind vorhersehbar in englischer Sprache, der Eintritt ist frei – allerdings muss man sich unter archive@arsenal­-berlin.de anmelden. In den folgenden Tagen wird nicht nur diskutiert, es werden auch frisch restaurierte Filme gezeigt und Restaurationsprojekte vorgestellt (2.9., 9.30 – 17.15 Uhr, silent green Kulturquartier).

Liebe im Zeitraffer

Die erste Viertelstunde des Pixar-Films „Oben“ (2009), die, überwiegend als Montagesequenz gestaltet, das Leben des Protagonisten Carl mit seiner Frau Ellie von der Kindheit bis zu Ellies Tod in höherem Alter nachvollzieht, gehört zum Schönsten, was die Gattung Animationsfilm zu bieten hat:

Das Zusammentreffen des schüchternen Carl mit der lebhaften Ellie durch die gemeinsame Begeisterung für den Abenteurer Charles Muntz, die schlaglichtartig eingeworfenen Schicksalsschläge (etwa wenn sich herausstellt, dass das Paar keine Kinder bekommen kann), die aus finanziellen Gründen immer wieder verschobene Traumreise nach Paradise Falls in Südamerika („It's like America – only south“, wie die noch kindliche Ellie kommentiert), die kleinen Freuden des Alltags und der liebevolle Umgang miteinander – das alles ist großes Geschichtenerzählen in nur wenigen Minuten, anrührend und komisch zugleich (4.9.-5.9., 15 Uhr, Filmmuseum Potsdam).

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.