Andreas Speit Der rechte Rand: Wo die Rechten ihre Kinder hinschicken
Das alte Fachwerkhaus mit dem Balkon beim Hauseingang in Burgdorf-Berel nahe Salzgitter sieht unauffällig aus. Dabei ist der Hof eine feste Adresse in rechtsextremen Kreisen. Dort kommen sie zusammen, treffen sich, feiern. Der „Freibund e. V.“ unterhält den Hof in der niedersächsischen Gemeinde. Aber auch wenn sie sich gern so darstellt – die bündische Jugend steht nicht nur für Fahrten und Lager in der freien Natur.
Auf der schwarzen Fahne des Vereins geht eine weiße Sonne auf, die für den „Urmythos unserer Kultur, die sich an ihrem Lauf orientiert“, stehen soll. Die Geschichte des Vereins zeigt noch deutlicher, woher der Wind weht: Bereits 1957 gründeten rechts-bündisch Bewegte den „Bund Heimattreuer Jugend“ (BHJ). Der Vorläufer es heutigen Freibundes wurde von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet. Aus den Reihen des BHJ kam der Rechtsterrorist Odfried Hepp, der 1987 wegen mehrerer Bombenanschläge und Banküberfälle verurteilt wurde. Ein weiteres Mitglied, Heinz Lembke aus Uelzen, legte 33 Waffen- und Sprengstoffdepots in der Lüneburger Heide an. Interne Streitereien führten zur Namensergänzung BHJ/Der Freibund. Später legte der Bund das belastende Namenskürzel ab, der neue Verein wurde von den Behörden nicht mehr als rechtsextrem eingestuft. Die Fahne war das neue Symbol.
Auf der Website des Freibundes wird aktuell Egi Pätzold als Verantwortlicher benannt. 2002 schrieb der damals 28-jährige Pätzold in der nationalrevolutionären Zeitschrift Wir selbst, dass er in „keine Schublade“ gesteckt werden wolle. Er sei ein „Roter“, ein „Grüner“, ein „Revolutionär“ genauso wie „ein Nationaler“, „ein Militarist“ und „ein Konservativer“. In einem längeren Artikel in derselben Ausgabe schrieb er, die Kategorien „Links“, „Rechts“ und „Mitte“ seien nicht mehr wesentlich, denn die „Welt braucht Lösungen, wenn wir nicht im großen atomaren, biologischen und sozialen Super-GAU untergehen wollen“. Er gab damals an, Bundesführer des Freibunds zu sein. In der Zeitschrift findet sich auch eine Anzeige des Freibundes, die mit „Jugendkultur – jenseits vom Zeitgeist“ und „für alle zwischen 8 und 25 Jahren“ wirbt. Die Postfachadresse des Vereins in Göttingen von 2002 ist die gleiche wie 2021.
Ganz jenseits des Zeitgeistes lud der Freibund mal den Schweizer Holocaust-Leugner Bernhard Schaub, mal den neurechten Publizisten Karlheinz Weißmann ein, wie die „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, für Demokratie Niedersachsen“ dokumentiert. Beziehungen zur AfD hat der Freibund ebenso. 2018 richtete die „Junge Alternative Niedersachsen“ auf dem Hof in Burgdorf-Berel ihr Sommerfest aus. Im gleichen Jahr löste der Bundesverband der Jungen Alternative den Landesverband auf, weil der vom Landesamt für Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich eingestuft wurde.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.
Rechte Eltern schicken ihre Kinder indessen gern zum Freibund. Die Töchter des neurechten Verlegerpaars Götz Kubitschek und Ellen Kositza sind dort zum Beispiel aktiv. Vor Ort in Berel, so die „Mobile Beratung“, würden die uniformierten Jugendlichen als einfache Pfadfinder beschönigt.
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