Mordaufruf erlaubt, solange der Abstand stimmt

Die rechtsextreme Kleinstpartei „III. Weg“ darf im sächsischen Zwickau weiterhin auf Wahlplakaten dazu aufrufen, die Grünen zu hängen. Ein Gericht konnte keine strafrechtliche Relevanz feststellen und sieht den Slogan durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Einzige Auflage: 100 Meter Abstand zu Grünen-Plakaten

„Ein Mordaufruf hat nichts im öffentlichen Raum zu suchen“

Christin Furtenbacher, Sprecherin Grüne Sachsen

Von Andreas Speit

„Hängt die Grünen!“ darf wieder hängen. Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat einem Eilantrag der Partei „III. Weg“ gegen die Anordnung der Stadt Zwickau zur Beseitigung der Plakate stattgegeben. Damit kann die rechtsextreme Kleinstpartei weiterhin mit einem bewusst assoziierten ­Mordaufruf Wahlkampf in Sachsen machen. Einzige Auflage: Die Plakate der rechtsextremen Kleinstpartei dürfen nur im Abstand von mindestens 100 Metern zu einem Wahlplakat von Bündnis90/Die Grünen angebracht werden. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.

Der „III. Weg“ feiert die gelungene Kampagne auf seiner Webseite. Die kalkulierte Provokation sorgte seit der vergangenen Woche für breite Öffentlichkeit. „Klar ist, dass die plakative Forderung auf nicht einmal 500 Plakaten mehr Personen erreicht hat, als wenn unsere Partei 500.000 grüne Plakate aufgehängt hätte“, schreibt der „III. Weg“.

Der Zwickauer Kreisverband der Grünen hatte gegen die Plakate Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft Zwickau entschied jedoch, dass die Plakate hängen bleiben dürfen. Das Gericht konnte keine strafrechtliche Relevanz des Slogans feststellen. Es sei unklar, „wer konkret angesprochen wird“. Es könnten entweder Po­li­ti­ke­r:in­nen oder Wäh­le­r:in­nen der Grünen gemeint sein. Daraufhin hatte die Staat Zwickau in der vergangenen Woche per Anordnung verfügt, dass die Rechtsextremen die Plakate abhängen müssen. Die hatten gegen die Anordnung geklagt. Erfolgreich.

In München entschied die Staats­anwaltschaft anders: „Nach den vorliegenden Erkenntnissen liegt ein Anfangsverdacht einer öffentlichen Aufforderung zu Straftaten vor“, sagte Anne Leiding, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft, am 8. September der taz. Aufgrund der Gestaltung des Plakates sei „es naheliegend beziehungsweise zumindest nicht ausgeschlossen, dass die Täter insoweit mit direktem Vorsatz handelten und es gerade darauf anlegten“.

Es ist nicht das erste Mal, dass die „volkstreue und heimatverbundene Partei“, wie sich der „III. Weg“ selbst bezeichnet, die Grünen zur Zielscheibe macht. Die 600 Mitglieder starke Partei greift selbst Natur- und Tierschutz­themen auf und erklärt denn auch: „Eine Grüne Partei muss nicht volksfeindlich sein!“ Als Volk versteht die Partei die „naturgesetzliche Gemeinschaft“, deren „biologische Substanz“ erhalten werden müsste.

Das Verwaltungsgericht begründete nun am Dienstag den erfolgreichen Eilantrag damit, dass es nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen für Wahlwerbung derzeit offen sei, ob die strengen Voraussetzungen für einen solchen Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit vorlägen. Nach Abwägung der Interessen hielt es die Kammer für angemessen, mit dem räumlichen Abstand eine von der Wahlwerbung der Grünen losgelöste Wahrnehmung der Plakate anzuordnen. Christin Furtenbacher, sächsische Landesvorstandssprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, sagt: „Die Chemnitzer Gerichtsentscheidung irritiert und überrascht uns sehr.“ Sowohl die Staatsanwaltschaft München als auch die sächsische Generalstaatsanwaltschaft hätten Ermittlungen wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten sowie weiteren Straftatbeständen aufgrund der Plakate eingeleitet. „Ein Mordaufruf gegenüber 3.300 sächsischen Mitgliedern einer demokratischen Partei, ihren Sympathisierenden und Unterstützenden hat nichts im öffentlichen Raum zu suchen.“ Man hoffe sehr, dass die Stadt Zwickau unverzüglich Rechtsmittel gegen diese Entscheidung einlege.

Für Dienstagabend rufen die Grünen zu einer Solidaritätsaktion in Zwickau unter dem Motto „Demokrat*innen nicht hängen lassen“ auf.