: Zu Besuch in heiligen Hallen
Tag des offenen Denkmals und Tag der Orgel am Wochenende mit Führungen, Touren und Konzerten
Von Ronald Berg
Was haben das prächtige Hubertusbad in Lichtenberg, der stillgelegte Flughafen Tegel, die ehemalige Schneiders Brauerei in Prenzlauer Berg und ein Jugendstil-Wohnhaus in Friedenau gemeinsam? Antwort: Sie gehören zu den erstmals aufgenommenen Orten, die am Tag des offenen Denkmals in Berlin besichtigt werden können. Die Senatskulturverwaltung stellt diese Highlights stellvertretend für rund 330 Denkmale beim diesjährigen Tag des offenen Denkmals heraus, die – in der Regel kostenlos – zum Besuch oder zu Führungen offen stehen.
Der bundesweite Denkmaltag umfasst in Berlin schon wegen der schieren Masse der Denkmale gleich zwei Tage: am 11. und 12. September. Und – wie es scheint – wird der Andrang zu dem Event wieder groß werden. Schließlich ist der Tag des offenen Denkmals die größte Kulturveranstaltung Deutschlands überhaupt. Seit 1993 wird sie von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz veranstaltet und lockte bislang jährlich bis zu vier Millionen Menschen zu mehr als 7.500 Denkmalen in ganz Deutschland.
Sinn der Unternehmung ist es, vor allem, die Bemühungen um Sicherung und Erhalt von denkmalgeschützen Bauten von privater Seite öffentlich zu machen. Zwar ist der Denkmalschutz in Deutschland eine staatliche Aufgabe, aber bei der Fülle der (potenziellen) Denkmale macht es Sinn, die Fürsorge für die historischen Sachzeugnisse – so die Definition des Denkmals – als gesamgesellschaftliche Aufgabe zu stärken.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz wählt auch das jährlich wechselnde Motto des Denkmaltages. Diesmal lautet es: „Sein & Schein“, womit das Augenmerk nicht nur auf illusionistische Deckenmalereien oder vorgetäuschte Materialien wie aufgemalter Marmor gelenkt werden soll, sondern auch das heikle Thema Rekonstruktion angeschnitten wird. Denn Denkmalschutz hat es in der Regel nur mit authentischer Bausubstanz zu tun und nicht mit nachträglicher Erfindung, die den Schein des Gewesenen zu kopieren versucht. Doch die Grenzen zwischen Restauration und Rekonstruktion sind zuweilen schwer zu ziehen.
„Sinnlich & Sinnvoll“
Berlin geht beim Motto ohnehin einen Sonderweg. „Sinnlich & Sinnvoll“ heißt hier die Überschrift. Das bezieht sich auch auf die Tatsache, dass der Denkmaltag die Chance eröffnet, zu den Sachen selbst zu gelangen, die sonst oft nur medial präsent sind. Aber: Wirkliche Erlebnisse mit den Denkmalen lassen sich eben nur im Realen machen, denn hier werden tatsächlich sämtliche Sinne angesprochen. Der Hall von weiten Kirchenräumen, die Kühle von alten Bierkellern oder Bunkeranlagen, die Rauheit des Betons oder von Holzmaserungen, der Duft von Blumen und Gräsern in Gärten und Parks, mit solchen „Sensationen“ wirbt Landeskonservator Christoph Rauhut aktuell für den Besuch des Denkmaltages im 136-seitigen Programmheft zum Event.
Ein Sinn, das Gehör, wird besonders angesprochen. Denn Denkmaltag und Tag der Orgel kommen diesmal zur Deckung. Die Nähe zwischen Denkmal und Orgel liegt auf der Hand, zumal Orgelbau und Orgelmusik in Deutschland als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit seit 2017 durch die Unesco anerkannt sind. Und oft ist die Orgel ja fester Bestandteil von Baudenkmalen – nicht nur in Kirchen.
Die Orgel im Berliner Kino Babylon kommt am Wochenende daher akustisch ebenso zum Einsatz wie die Mighty Wurlitzer-Theaterorgel im Musikinstrumentenmuseum in Tiergarten. Der Tag des offenen Denkmals 2021 in Berlin wird mit etlichen Orgelvorführungen und ‑konzerten und also ein ganz besonderes synästhetisches Erlebnis werden, das durch Online-Angebote (die Corona im letzten Jahr etabliert hat) zwar ergänzt, aber doch nicht vollständig ersetzt werden kann.
Der Klang einer Orgel und deren Verortung etwa im Raum eines Kirchenschiffs lässt sich eben noch immer nicht technisch-medial simulieren. Man sollte also die Gelegenheit nutzen, am Denkmal-Weekend die volle Sinnesfülle zu erleben – natürlich unter Einhaltung der gültigen Hygieneregeln.
Der Denkmaltag wird zusammen mit dem Tag der Orgel am 11. und 12. 9. durchgeführt. Tempelhof-Schöneberg veranstaltet eine „Orgelnacht“ am 11. 9.
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