Da laufen sie dann wieder

Aufs politische Hü folgt ein juristisches Hott: Laut Verwaltungsgericht müssen, den Ideen der Gremien zum Trotz, auf der Galopprennbahn wieder Pferderennen stattfinden dürfen

Warum sich auf der Rennbahn nur Wermut, Pilze und Golfer, aber keine Pferde als Zwischennutzer austoben können, war dem Gericht nicht plausibel zu machen Foto: Abou Osman/taz

Von Jan Zier

Ein bisschen könnte es wie früher werden, an jenem Wochenende im September. Denn der Bremer Rennverein darf nun doch wieder Galopprennen auf seiner alten Bahn in der Vahr ausrichten – einmal zumindest. Das Verwaltungsgericht Bremen hat die Stadt am Montag per einstweiliger Anordnung verpflichtet, genau das zu erlauben. Damit hat der rot-grün-rote Senat den Rechtsstreit gegen den Rennverein, dem das momentan zwischengenutzte Gelände früher gehörte, klar verloren.

Zwar hat der Regionalausschuss der beiden Stadtteilparlamente aus Hemelingen und der Vahr im Januar entschieden, keine Galopprennen mehr auf dem Rennbahngelände zuzulassen, zwar hat auch die Deputation für Mobilität, Bau und Stadtentwicklung im Juni beschlossen, dass auf dem Areal künftig kein Galoppsport mehr stattfinden darf, ebenso wenig anderer Pferde- oder Golfsport. Das Votum der politischen Gremien ist also eindeutig. Doch das im Volksentscheid von 2019 beschlossene Ortsgesetz für das Rennbahngelände widmet die Fläche erst einmal ganz allgemein der Erholung, aber auch der Freizeit, dem Sport und der Kultur.

„All diesen Zwecken ist der Galoppsport zuzuordnen“, ­schreiben nun die Rich­te­r*in­nen in ihrem 17-seitigen Urteil. Also muss es – zumindest während der Zwischennutzung – erlaubt sein, das Gelände genau dafür zu nutzen, wofür es einst ja auch gebaut wurde. Denn der Regionalausschuss habe gar nicht die Kompetenz, die Widmung des Geländes einzuschränken, so die Richter*innen. Und das Gelände sei schließlich eine „öffentliche Einrichtung“.

Hinzu kommt, dass ein Galopprennen am 11. und 12. September gar keiner anderen möglichen Zwischennutzung im Wege steht, weil niemand sonst an diesem Wochenende eine solche beantragt hat.

ZZZ, die Zwischenzeitzentrale, die im Auftrag des Wirtschaftsressorts das Areal bespielt, hätte den Antrag des Rennvereins also gar nicht ablehnen dürfen, entschied das Gericht. In der Behörde nimmt man die einstweilige Anordnung erst mal nur „zur Kenntnis“, sagt ein Sprecher: „Wir prüfen, ob wir dagegen Beschwerde einreichen.“ „Wir freuen uns über das Urteil“, kommentierte es dagegen der Präsident des Bremer Rennvereins, Frank Lenk.

Ob die Galopprennen tatsächlich stattfinden, sei gleichwohl noch unklar – die verbleibende Zeit sei „sehr kurz“, um eine solche Großveranstaltung überhaupt zu organisieren. Lenk, Inhaber einer PR-Agentur und Bürgermeisterkandidat der Unabhängigen Wähler in Ganderkesee, misst dem Urteil des Verwaltungsgerichts auch „eine grundsätzliche Bedeutung“ zu – hier würden Sportarten „ausgegrenzt“. Am gestrigen Mittwoch verschickte er eine empörte Mitteilung darüber, dass die ZZZ den Verein daran hindere, den Renntag vorzubereiten.

Das Gelände sei nämlich „mit Zelten und Müll vollgestellt“, teilweise sei „die Fläche sogar massiv beschädigt“ worden, wie eine Abordnung des Dachverbandes „Deutsches Galopp“ festgestellt habe. Nach seiner Auffassung hätten ZZZ oder Wirtschaftssenatorin „die Räumung der betroffenen Flächen umgehend nach Bekanntgabe des Urteils veranlassen müssen“, also am Freitag. Das sei aber bis heute nicht geschehen. Allerdings ist die fragliche Entscheidung noch nicht rechtskräftig. Zwei Wochen hat die Behörde Zeit, Beschwerde einzulegen. Und dann eine weitere Woche, sie zu begründen.

„Eine Abordnung fand das Gelände mit Paletten, Zelten und Müll vollgestellt“

Frank Lenk, Rennverein

Lenk forderte nun die Stadt zu Gesprächen auf: „Wir sind für alles offen.“ Der Rennverein sieht sich selbst als ein Teil der künftigen Nut­ze­r*in­nen des Geländes. Anders als früher sollen es aber keine sechs bis acht Renntage im Jahr mehr sein – zwei würden ihm genügen, sagt Lenk. Doch im zuständigen Bau­ressort winkt man ab: Pferde- und Golfsport werde bei den weiteren Planungen „nicht berücksichtigt“, sagt Behördensprecher Jens Tittmann. Schließlich hätten die politischen Gremien das so gewollt. „Diese demokratisch legitimierten Beschlüsse wird das Ressort selbstverständlich umsetzen.“ Zudem hat die Deputation auch entschieden, dass es künftig einen Weg geben soll, der die Stadtteile Hemelingen und Vahr besser miteinander verbindet. Und der führt gleich zwei Mal genau über das Gelände der Galopprennbahn.

Doch auch Frank Lenk muss zugeben, dass das öffentliche Interesse am Galopprennsport stark nachgelassen hat. Kamen 1997 noch etwa 70.000 Besucher*innen, waren es 2015 nur noch 13.000 – im Jahr. Lenk spricht dennoch von „guten Zuschauerzahlen“. Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke) wiederum findet es „bedauerlich“, dass die Stadt auf dem Gelände nicht die „dringend benötigten Wohnungen“ bauen dürfe und sich stattdessen nun mit dem Pferderennsport auseinandersetzen müsse, dessen Konzepte „in der Vergangenheit schon nicht funktioniert haben“.

Lenk allerdings gibt sich klagefreudig. Und wenn dereinst ein neuer Bebauungsplan für das Gelände aufgestellt sein wird, gehört der Bremer Rennverein zu jenen, die als Betroffene dagegen juristisch vorgehen können, durch mehrere Instanzen. Das könnte eine neue Nutzung der 30-Hektar-Fläche um viele Jahre verzögern.