: Bibel sticht Strafgesetzbuch
Im Prozess wegen Volksverhetzung gegen Olaf Latzel soll ein theologisches Gutachten weiterhelfen: Wenn die Bibel so queerfeindlich ist wie der evangelikale Pastor, könnte er durch Religionsfreiheit geschützt sein
Hass predigen könnte in Ausnahmefällen erlaubt sein – zumindest dann, wenn die Prediger*innen dabei den Hass aus jahrtausendealten Schriften reproduzieren. Das legt die Bestellung eines theologischen Gutachtens nahe, mit dem sich das Landgericht für die Berufungsverhandlung gegen den wegen Volksverhetzung im Herbst 2020 verurteilten Bremer Pastor Olaf Latzel wappnen will.
Das Gericht hat den Theologieprofessor Christoph Raedel von der Freien Theologischen Hochschule Gießen beauftragt, zu prüfen, ob Latzels Aufforderung, sich gegen Homosexualität und Gender zu wehren, von der Bibel gedeckt sind. Außerdem solle der Gutachter darstellen, was das für die tägliche Arbeit von Pastor*innen bedeutet, bestätigte ein Sprecher des Landgerichts Bremen dem Evangelischen Pressedienst auf Nachfrage. Sollte der Gutachter zu dem Schluss kommen, dass die Aussagen der Bibel entsprechen, sei dies eventuell im Sinne der Religionsfreiheit höher einzuschätzen.
Latzel hatte bei einem sogenannten „Ehe-Seminar“, das später online gestellt wurde, von einer „teuflischen Homo-Lobby“, den „Verbrechern vom CSD“ und von „Genderdreck“ gesprochen. Das Amtsgericht sah dabei in erster Instanz die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten. Im November 2020 verurteilte es den Pastor der evangelikalen St.-Martini-Gemeinde wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 90 Euro. Der hatte gegen den Spruch Berufung eingelegt.
Für das Berufungsverfahren soll sich der Gutachter dem Sprecher zufolge mit einem Fragenkatalog auseinandersetzen, der zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger von Latzel abgestimmt ist. Mit dem Verfahrensbeginn sei nicht vor Januar oder Februar zu rechnen, hieß es: Der Gutachter müsse zunächst seine Arbeit machen. Außerdem habe das Gericht bis zum Jahresende keine freien Termine mehr.
Bis zu einer endgültigen Entscheidung hatte die Kirchenleitung Latzel vorläufig des Dienstes enthoben. Doch mittlerweile darf er wieder predigen: Vor der Disziplinarkammer der bremischen Kirche hatte der Geistliche sich erfolgreich gegen die Freistellung gewehrt. (taz/epd)
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