Ein weiterer Milliardär soll’s richten

Im Libanon soll Expremier Nadschib Mikati eine Regierung bilden und das Land aus der Krise führen

Von Julia Neumann

Nach knapp einem Jahr politischen Stillstands in Libanon soll Exregierungschef Nadschib Mikati versuchen, ein Kabinett zu formen. Es ist bereits der dritte Versuch, den Posten des Regierungschefs zu besetzen. Der momentan geschäftsführende Regierungschef Hassan Diab war wenige Tage nach der Explosion von 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat im Hafen von Beirut im August 2020 zurückgetreten. Mikati folgt auf Saad Hariri, der es nicht schaffte, eine Regierung zu bilden.

Damit folgt auf einen sunnitischen Unternehmer und Milliardär ein anderer sunnitischer Unternehmer und zweifacher Milliardär. Mikati und sein Bruder gründeten die milliardenschwere M1 Group, die Anteile an Telekommunikationsunternehmen in Südafrika, London, New York und Monaco hält. Auch er gehört als einer der reichsten Männer des Landes zur politischen Elite, die das Missmanagement und die Korruption im Land zu verantworten hat. 2018 berichteten Medien, Mikati habe Millionen von US-Dollar abgeschöpft, die für staatlich geförderte Wohnungsbaudarlehen gedacht waren. Die Kredite sollten Li­ba­ne­s*in­nen mit niedrigem Einkommen beim Hauskauf helfen.

Der 65-jährige Mikati war bereits Regierungschef im Jahr 2005. Sein Kabinett hielt jedoch nur drei Monate. 2011 kehrte er zurück – auch damals als Nachfolger von Saad Hariri.

Dass sich Libanons Elite im Kreis dreht, hat auch damit zu tun, dass ein Proporzsystem die politischen Führungspositionen regelt. Um einen erneuten Krieg zu verhindern, ist die Macht unter den konfessionellen Gruppen aufgeteilt. Der Parlamentssprecher ist Schiit, der Präsident Christ und der Regierungschef Sunnit.

Unterdessen kommt auf das Land eine Hyperinflation zu. Seit Herbst 2019 verliert die lokale Währung an Wert. Familien müssen für Lebensmittel das Fünffache des Mindestlohns aufbringen. Aufgrund der gestiegenen Preise sind selbst einfache Medikamente wie Blutverdünner oder Kopfschmerztabletten aus den Apotheken verschwunden. Weil der Staat pleite ist, liefert die staatliche Strombehörde nicht mehr, und auch die Wasserversorgung stockt, weil die Pumpen mit Strom betrieben werden. Die Betreiber von Stromgeneratoren setzen ihre Arbeit aus, weil es einen Mangel an Benzin zum Antrieb gibt.

Für den 4. August, dem Jahrestag der Explosion, plant die ehemalige Kolonialmacht Frankreich eine internationale Geberkonferenz. Präsident Emmanuel Macron hatte Libanon nach der Explosion besucht, um die Regierungsbildung zu beschleunigen. Zwar bekräftigte die politische Elite, der „französischen Initiative“ folgen und eine Einheitsregierung bilden zu wollen, doch interne Machtkämpfe haben dies bislang verhindert. Nun ist der Druck gestiegen, da die EU-Staaten mit Sanktionen drohen. Frankreich, Deutschland und andere Geberstaaten wollen der Regierung erst Geld geben, wenn diese die dringenden Reformen verabschiedet.