piwik no script img

Ein Sitz im Flugzeug

Der Flensburger Unternehmer Daniel Paulig versucht die afghanischen Ortskräfte, die für ihn gearbeitet haben, nach Deutschland zu holen. Bisher ist die Situation ungewiss

Von Finn Walter

Am 6. Juli musste Daniel Paulig Afghanistan verlassen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Flensburger mit seinem Unternehmen schon sechs Jahre im Auftrag der Bundeswehr gearbeitet. 2015 hatte er sich selbstständig gemacht – zusammen mit einem afghanischen Freund. Mit ihrer Firma warteten die beiden Männer die Technik im Bundeswehr-Camp Marmal in Masar-e Scharif. Das Arbeitsklima und die Leute hätten ihm gefallen, sagt Paulig. Deshalb sei der Anlagenbauer dort geblieben.

Neben wechselnden Tagelöhnern stellten Paulig und sein Partner auch drei Afghanen fest an. Zu ihnen habe er ein gutes Verhältnis, sagt er. Mit seinem Partner sei er auch zusammen in den Urlaub gefahren. Dessen Name soll nicht genannt werden, da er sich zurzeit noch in Afghanistan aufhält und Repressionen der Taliban befürchten muss.

Camp Marmal, das damals größte Feldlager der Bundeswehr, ist mittlerweile verlassen. Nach dem Truppenabzug der Nato haben die Taliban im ganzen Land die Macht übernommen. Ihre deutschen Partner, darunter Paulig, nahm die Bundeswehr gleich mit. Zurück blieben die afghanischen Helfer der Truppe.

Um sie vor der Rache der Taliban zu schützen, genehmigte Deutschland seinen Ortskräften Visa. So können sie in der Theorie mit dem Flugzeug nach Deutschland reisen und hier Asyl beantragen. Pauligs Mitarbeiter waren davon bisher aber ausgenommen, da sie nicht direkt für die Bundeswehr gearbeitet haben, sondern für einen Vertragspartner. Ein Subunternehmen also.

Seit März versucht der Flensburger Unternehmer sie und ihre Familien aus dem Land zu schaffen. Dabei sei er von Behörde zu Behörde und von Ministerium zu Ministerium verwiesen worden, sagt Paulig. Auch beim Bundeskanzleramt habe er sich gemeldet.

Schließlich habe er seine drei Mitarbeiter nach Dubai gebracht. Ihre Familien und sein Partner seien in Afghanistan geblieben. In Dubai hätten sie weiterhin vergeblich in der deutschen Botschaft versucht, ein Visum zu bekommen, sagt Paulig. Sie seien noch nicht einmal am Empfangstresen vorbei gekommen. „Wir sind da auf komplettes Desinteresse gestoßen“, erinnert er sich.

Seitdem die Taliban am vergangenen Samstag auch Masar-e Scharif eingenommen haben, wo die Familien von Pauligs Mitarbeitern noch wohnten, ist die Sorge groß: Paulig hält per Whatsapp ständig Kontakt zu ihnen. Mittlerweile seien sie nach Kabul aufgebrochen, einen Tag später übernahmen die Taliban aber auch dort die Macht.

Der internationale Flughafen in der afghanischen Hauptstadt ist für viele Menschen der letzte Weg nach draußen. Viele der am Krieg beteiligten Nationen versuchen von dort, Staats­bür­ge­r:in­nen und Ortskräfte auszufliegen. Die Bilder der chaotischen Szenen gehen um die Welt.

Für viele Afghan:innen, die für die Bundeswehr gearbeitet haben, ist Paulig nun Ansprechpartner. Bei der Bundeswehr würden die Menschen niemanden erreichen. Paulig hingegen kennt viele Ortshelfer noch aus seiner Zeit im Feldlager. Er hilft, wo er kann. „Seit Samstag habe ich alles stehen und liegen gelassen“, sagt er.

Der Name von Pauligs Kollegen soll nicht genannt werden, weil er die Taliban fürchtet

Doch es gibt keine Entwarnung: Sein Geschäftspartner sitze noch in Masar-e Scharif fest. Per Whatsapp habe er erfahren, dass die Taliban direkt vor dem Haus seines Geschäftspartners stünden und dessen Auto geklaut hätten, sagt Paulig.

Am Mittwochmorgen sagte der schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordnete Johann Wadephul (CDU) seine Unterstützung zu, nachdem der NDR über den Fall berichtet hatte.

Das Auswärtige Amt äußerte sich bis Redaktionsschluss nicht zu der Frage, ob die Ortshelfer, die für Paulig gearbeitet haben, Visa erhalten. Laut Paulig werde aber daran gearbeitet. Ob und wann die Familien ausgeflogen werden, bleibt aber völlig offen. „Ich hoffe, dass sie bald da rauskommen“, sagt Paulig.

2, 3,

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen