„Berlin autofrei“ nimmt erste Hürde: Die Debatte kommt ins Rollen
Der Volksentscheid „Berlin autofrei“ hat 50.333 Unterschriften beim Senat eingereicht. Ein erster Erfolg. Am Ende könnte es aber auch anders kommen.
D as Ding rollt: Der Volksentscheid „Berlin autofrei“ hat problemlos die erste Hürde genommen und am Donnerstag nach nur drei Monaten des Sammelns 50.333 Unterschriften bei der Innenverwaltung eingereicht. Wie üblich werden es nach der Prüfung wohl ein paar Tausend weniger sein, die die Behörde als gültig erachtet – die notwendige Zielmarke von 20.000 haben die Mobilitäts-AktivistInnen damit trotzdem weit mehr als verdoppelt.
Alles andere wäre auch erstaunlich gewesen. Ohne die pandemiebedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens hätten vermutlich noch deutlich mehr zum Kugelschreiber gegriffen. Vielleicht wären es nicht ganz so schnell ganz so viele gewesen wie 2016, als der Volksentscheid „Fahrrad“ nach weniger als einem Monat die 100.000er-Marke knackte. Aber das Potenzial an Menschen, die sich nach weniger Blech, Lärm, Feinstaub, Stress und Gefahr auf Berlins Straßen sehnen, ist ausgesprochen groß.
Ob es groß genug ist, um einen Volksentscheid zu bestehen, ist allerdings die Frage. Wenn es 2023 tatsächlich dazu kommen sollte, würde die Autolobby selbstverständlich im Vorfeld aus allen Rohren feuern. Und ohnehin wäre die Mobilisierung all jener, die weiterhin Auto fahren wollen (oder vielleicht auch nur Freunde haben, die das wollen), garantiert. Dass es sich um einen harten Eingriff in vertraute Mobilitätsgewohnheiten handelte, lässt sich ja nicht bestreiten.
Auch wenn die Initiative der Überzeugungskraft ihres Anliegens und ihrem ausgeklügelten Gesetzentwurf vertraut – ausgemachte Sache ist ein Sieg an der Wahlurne keineswegs. Nur mal zur Erinnerung: Der von der FDP betriebene Volksentscheid zum Weiterbetrieb des Flughafens Tegel war erfolgreich, und das besonders in manchen Gegenden, die stark vom TXL-Fluglärm betroffen waren.
Unbequeme Fragen
Theoretisch könnte es auch noch anders kommen, so wie damals, als sich die InitiatorInnen des Volksentscheids „Fahrrad“ direkt nach der Abgeordnetenhauswahl an einen Tisch mit der neuen, rot-rot-grünen Koalition setzten. Heraus kam dabei das Mobilitätsgesetz, das Volksbegehren wurde nicht weiterverfolgt. Nach der Logik von „Berlin autofrei“ ist das aber eigentlich kein gangbarer Weg, schließlich kritisiert die Initiative, dass der Senat ebendieses Mobilitätsgesetz nicht wirklich ernst nehme.
In jedem Fall stehen Berlin spannende verkehrspolitische Debatten bevor, bei denen sich natürlich auch „Berlin autofrei“ unbequemen Fragen wird stellen müssen. Nicht zuletzt der nach der Umsetzbarkeit: Man muss sich nur mal kurz auf die gedanklich Reise in eine Zukunft begeben, in der private Autos grundsätzlich nicht in der Innenstadt gefahren werden dürfen, es aber eine ganze Menge Ausnahmetatbestände gibt.
Es ist leicht vorstellbar, dass viele Autofahrende hier auch noch das kleinste Zulassungsschlupfloch für sich ausnutzen würden, und sei es über den Umweg eines Familienmitglieds. Um das zu unterbinden und einigermaßen faire Bedingungen für alle zu schaffen, bräuchte es entgegen aller Beteuerungen der Initiative einen gewaltigen Genehmigungs- und Kontrollapparat. Aber wie es auch sei: Die Debatte ist eröffnet.
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