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Obdachlose in HamburgZurück auf die Straße

In der Coronakrise konnten Obdachlose in Hamburg in Containern übernachten. Nun wurden sie abgebaut. Vielen droht eine erneute Verelendung.

Die Container für Obdachlose hat die Stadt Hamburg mittlerweile abgebaut Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Hamburg taz | Zieht man dieser Tage durch Hamburgs Straßen, begegnet man wieder häufiger obdachlosen Menschen. Auch So­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen bestätigen diesen Eindruck. Bis zuletzt konnten Betroffene in Wohncontainern eine Bleibe finden. Wenn auch nur nachts. Eigentlich sind die Unterkünfte Teil des sogenannten „Winternotprogramms“, das obdachlosen Männern und Frauen jährlich zwischen Anfang November und Ende März einen Schlafplatz im Warmen bietet, um den frostigen Nächten auf der Straße zu entfliehen.

Nachdem die Sozialbehörde das Programm zuletzt mehrfach verlängert hatte, ist es nun nach rund anderthalb Jahren ausgelaufen. Die Container sind abgebaut, viele Menschen zurück auf der Straße.

Im vergangenen Jahr hatte die Sozialbehörde die Notunterbringung von März nahtlos bis zum Beginn des eigentlichen Winternotprogramms 2020/2021 verlängert. Obdachlose konnten über den Winter hinaus die Unterkünfte nutzen. Das sei vor allem zum Schutz vor dem Coronavirus geschehen, teilt die Sozialbehörde auf Anfrage mit.

In diesem Jahr allerdings wurde das Programm nur bis Ende Juni verlängert. Die Container sind inzwischen dichtgemacht, viele sogar abgebaut. Im März dieses Jahres nutzten täglich rund 700 Menschen das Angebot. Man habe das Programm so lange fortgeführt, „bis alle ein Impfangebot in Anspruch nehmen konnten“, teilt die Behörde mit. Mindestens 1.800 Obdachlose hätten eine Corona-Schutzimpfung erhalten, heißt es weiter.

Es fehlt eine Strategie

Die Behörde verweist stattdessen nun auf ganzjährig geöffnete „Notübernachtungsstätten“ und Spezial­unterkünfte zur „Versorgung vulnerabler obdachloser Menschen“.

Cansu Özdemir, Fraktionsvorsitzende der Linken in der Bürgerschaft, überzeugt das nicht: „Die Situation für Obdachlose war schon vor der Pandemie nicht einfach.“ Es gebe keinen politischen Willen, den Menschen wirklich zu helfen. „Der Senat argumentiert immer mit einer sogenannten Sogwirkung, dass Menschen aus Südosteuropa und Osteuropa hierher kommen, um das Winternotprogramm als kostenlose Übernachtung zu nutzen. Das kann ich überhaupt nicht bestätigen. Der Senat hat eine Verantwortung für jeden Menschen, der oder die auf der Straße schlafen muss.“ Die Stadt rühme sich für ihr Winternotprogramm, sagt sie. Das sei aber nur ein Schutz vor dem Erfrieren und keine Lösung der Obdachlosigkeit.

Stephan Karrenbauer, der bei Hinz&Kunzt als Sozialarbeiter tätig ist, kritisiert, die Stadt habe es während des verlängerten Notprogramms nicht geschafft, für alle eine dauerhafte Unterkunft zu finden: „Der Senat hätte in dieser Zeit mehr tun müssen: kleine Einrichtungen schaffen, in denen die Leute dauerhaft untergebracht werden, bis sie dann hoffentlich irgendwann eine Wohnung finden.“

Die Obdachlosigkeit sei auf den Straßen nun wieder sichtbarer geworden: „Wir sehen einfach wieder viel mehr Platten in Hamburg. Gerade um den Hauptbahnhof sind viele Personen, die ganz stark verelenden.“ Da viele von ihnen nun geimpft seien, könnten sie zwar wieder besser die Anlaufstellen nutzen, „von einem Normalbetrieb sind wir trotzdem noch weit entfernt“, sagt Karrenbauer.

Die Linke fordert „Housing First“

Cansu Özdemir wirft dem Senat fehlendes Interesse an einer langfristigen Lösung vor: „Wir brauchen ein Konzept, um die Obdachlosigkeit zu bekämpfen und nicht einfach nur zu verwalten.“ Sie fordere einen „Housing first“-Ansatz. Das Konzept sieht Wohnen als Ausgangs- und nicht als Endpunkt an. Das heißt: Gleich zu Beginn wird Wohnraum zur Verfügung gestellt, bevor weitere Unterstützungsmaßnahmen greifen. Das Konzept wurde in den USA entwickelt und wird dort in einigen Städten erfolgreich umgesetzt.

Özdemir vermisst auch eine Wertschätzung der So­zi­al­ar­bei­te­r:i­nnen seitens des Senats: „Durch die Verelendung und den Anstieg der Obdachlosigkeit hat sich in den letzten Jahren eine Mehrarbeit ergeben.“ Daher müsse mehr Personal eingestellt werden.

Die Frage, warum das Wohnraumangebot nicht grundsätzlich ganzjährig angeboten wird, ließ die Sozialbehörde bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

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