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26 NGOs fordern Abschiebestopp

Amnesty sieht bei weiteren Abschiebungen nach Afghanistan Verstöße gegen das Völkerrecht,Pro Asyl fordert rasches Ausfliegen afghanischer Ortskräfte der Bundeswehr

„Die Lage am Hindukusch ist dramatisch“

Aus dem gemeinsamen Aufruf

Ein breites Bündnis von 26 Nichtregierungsorganisa­tionen hat einen sofortigen Abschiebestopp nach Afghanistan gefordert. „Die Lage am Hindukusch ist dramatisch und wird sich aller Voraussicht nach weiter verschlechtern“, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten gemeinsamen Aufruf. „Ein Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan ist vor diesem Hintergrund dringend geboten.“

„In Afghanistan vergeht kaum ein Tag ohne Anschlag. Seit dem Abzug der Nato-Truppen sind die Taliban auf dem Vormarsch: Über die Hälfte der Bezirke in Afghanistan steht schon unter Kontrolle der Taliban“, erklärten die beteiligten Verbände. Hinzu komme noch die in dem Land grassierende Coronapandemie. „Auch Deutschland darf die Augen vor der sich immer weiter verschlechternden Lage in Afghanistan nicht verschließen und muss alle Abschiebungen einstellen“, fordern die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner.

Unterstützt wird der Aufruf von den Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Pro Asyl, Sozialverbänden wie den kirchlichen Organisationen Diakonie und Caritas, Verbänden von Juristinnen und Juristen sowie Hilfsorganisationen wie Brot für die Welt, Misereor und medico international. Sie verweisen auch auf die Bitte der bedrängten afghanischen Regierung, auf Abschiebungen vorerst zu verzichten.

„Jede Abschiebung nach Afghanistan verstößt aktuell gegen das Völkerrecht“, erklärte der Generalsekretär der deutschen Sektion von Amnesty International, Markus Beeko. „In der Afghanistan-Politik findet ein unwürdiges Pingpong-Spiel zwischen Bund und Ländern auf dem Rücken vieler bedrohter Menschen statt – und keiner tut das Naheliegende, nämlich die Abschiebungen endlich zu stoppen, wie es bereits andere europäische Länder getan haben“, kritisierte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt.

Die Bundesregierung sowie mehrere deutsche Landesregierungen lehnen es bislang ab, auf Abschiebungen nach Afghanistan zu verzichten. Im jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amts ist laut Medienberichten immer noch von sicheren Re­gio­nen in dem Land die Rede. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) drängt zugleich die EU-Kommission, sich für weitere Abschiebungen einzusetzen.

Pro Asyl rief die Bundesregierung auch auf, gefährdete frühere afghanische Ortskräfte der Bundeswehr mit einer Luftbrücke in Sicherheit zu bringen. „Es gibt mindestens 1.000 Ortskräfte, die noch in Afghanistan festsitzen“, mahnte Burkhardt in der Rheinischen Post. Auch frühere Mitarbeiter deutscher Hilfsorganisationen müssten angesichts des Vormarschs der radikalislamischen Taliban zügig ausgeflogen werden.

Laut Bundesverteidigungsministerium wurden bis Montag rund 1.700 ehemalige Ortskräfte und Familienangehörige in Deutschland aufgenommen. Kritik gibt es vor allem an den Vorgaben und Fristen für die Anerkennung der Einreiseberechtigung sowie daran, dass die Ortskräfte ihre Ausreise bislang weitgehend selbst organisieren müssen. Unter anderem für die USA oder Großbritannien gelten deutlich großzügigere Regeln.

Die Ortskräfte gelten angesichts des Vormarschs und der drohenden Machtübernahme der Taliban in Afghanistan als gefährdet. Die Taliban hatten in den vergangenen Tagen mehrere afghanische Provinzhauptstädte eingenommen, darunter auch die Stadt Kundus. Hier waren lange deutsche Soldaten stationiert gewesen. (afp)

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