Deltavariante in China: Die Bewährungsprobe

China kämpft mit dem schwersten Infektionscluster seit dem Ausbruch der Pandemie in Wuhan. Millionen Bewohner werden durchgetestet.

Ein alter Mann öffnet seinen Mund, damit der Mitarbetier eines Testzentrums ihm ein Teststäbchen hineinstecken kann.

Die Behörden in Nanjing testen alle 9 Millionen Einwohner der Metropole Foto: Li Bo/XinHua/dpa

PEKING taz | Das Virus kam laut Chinas Staatsmedien mit einem Passagierjet aus Moskau zurück ins Land. Der infizierte Passagier des Flugs CA910 wurde zwar rechtzeitig identifiziert und wie vorgeschrieben von Männern in Schutzanzügen in ein Quarantänehotel gebracht. Doch waren offenbar neun Mitarbeiter am Flughafen Nanjing nicht vorsichtig genug: Sie infizierten sich beim Reinigen des Flugzeugs mit der hochinfektiösen Deltavariante.

Seither schreiben Chinas Zeitungen bereits vom „größten Ausbruch seit Wuhan“. Anhand der Zahlen scheint das übertrieben, schließlich haben sich in den letzten anderthalb Wochen nur knapp 300 Menschen infiziert. Doch ist es zweifelsohne die größte Bewährungsprobe für Chinas Behörden, die in der Pandemie eine strikte „No Covid“-Strategie verfolgen.

Erstmals müssen sie gegen die Deltavariante kämpfen. Auch hat sich noch nie seit Abflauen der ersten Welle ein Infektionsstrang derart landesweit verbreitet: Mindestens acht Provinzen vom Süden bis zum Nordosten sind betroffen. Selbst in der Hauptstadt, in der die Behörden besonders alarmiert sind, gab es nach über einem halben Jahr wieder lokale Ansteckungen.

Insbesondere ein politisch brisanter Fall sorgt für Zweifel an der Transparenz der Behörden: Wie das Wall Street Journal berichtet, wurde das Mitglied einer Delegation aus Simbabwe positiv getestet, tauchte jedoch bislang in keiner Statistik auf. Das Luxushotel in Peking, in dem sich die Afrikaner aufgehalten haben, wurde mittlerweile abgeriegelt.

Eine ganze Metropole wird durchgetestet

Wie durchsetzungsstark die Behörden reagieren, zeigt das Beispiel Nanjing: Die dortige Stadtregierung lässt derzeit sämtliche 9 Millionen Bewohner zum dritten Mal durchtesten. Etliche Städte haben Quarantänepflichten eingeführt für Einreisende, die sich in chinesischen Risikogebieten aufgehalten hatten. Auch in Peking, wo weniger als eine Handvoll Fälle registriert wurden, werden ganze Nachbarschaften „versiegelt“. Niemand darf den Wohnkomplex verlassen, die Behörden kümmern sich um die Versorgung. 400.000 Menschen in Peking sollen betroffen sein.

Aus europäischer Sicht erscheint die Angemessenheit solcher Maßnahmen fraglich. Für die „Zero Covid“-Strategie der Regierung sind sie allerdings notwendig. Die Behörden argumentierten stets mit den Menschenleben, die geschützt werden müssen. Gleichzeitig gibt es keine Anzeichen, dass die Strategie bald gelockert wird, trotz schnell voranschreitender Impfkampagne.

Mehr als 1,6 Milliarden Impfdosen sind in China bereits verabreicht worden. Doch die meisten nun Infizierten waren bereits mit chinesischen Impfstoffen immunisiert. Dass chinesische Vakzine nicht wirken, lässt sich jedoch nicht daraus schlussfolgern, solange sie einen schweren Verlauf verhindern. Dennoch argumentieren Mediziner, chinesische Impfstoffe kämen bei der Deltavariante an ihre Grenzen.

Insofern bedeutet eine Zero-Covid-Strategie auch eine nachhaltige Isolation des Landes. Innerhalb der Grenzen herrscht dafür normaler Alltag ohne nennenswerte Einschränkungen. Doch mit wenigen Fällen kann das fragile Konstrukt jederzeit kippen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.