Heso Gınzızr über den Angriff auf Erk Acarer
: Verfolgt in Berlin

Es gebe Momente, in denen sie mit Grauen auf die Türkei blicke und nicht glauben könne, was passiere, erzählte die Schriftstellerin Aslı Erdoğan im Interview mit der taz. Es war Erk Acarer, der das Gespräch mit der gefeierten türkischen Autorin führte. Zwei Menschen saßen sich im deutschen Exil gegenüber, nachdem sie beide wegen ihrer entschlossenen Haltung und ihrer Arbeit in der Türkei nicht mehr sicher waren.

Jetzt ist Erk Acarer in Berlin zur Zielscheibe geworden: Drei Männer kreuzten vor seiner Haustüre auf, schlugen ihn nieder, verletzten ihn am Kopf. Es ist ein böser Traum für alle Jour­na­list*in­nen, die sich kritisch mit der türkischen Regierung, mit dem re­li­giö­sen Fundamentalismus in dem Land und dem Umgang mit Ale­vit*in­nen, Kurd*in­nen, Zazas und allen anderen zu Minderheiten erklärten Gruppen auseinandersetzen. Es ist bittere Realität für viele, bei jeder öffentlichen Äußerung, bei jedem Tweet, jedem Like auf Facebook zu zögern. Begebe ich mich damit in Gefahr? Bringe ich andere Menschen dadurch in Gefahr?

Erk Acarer kannte das Risiko. In der türkischsprachigen Diaspora und in der Türkei verfolgen Tausende Menschen, was er auf Twitter schreibt. Als linke Stimme in einer Gesellschaft, die Gegenmeinungen auch immer wieder mit dem Tod bestraft, hatte er An­hän­ger*in­nen, war aber immer wieder auch Hass ausgesetzt. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass sich türkische Na­tio­na­lis­t*in­nen in Deutschland organisieren. Und so ist es für Acarer klar, wer hinter dem Angriff steht. Weil er nicht schweige zum türkischen Islamismus, zu dem Faschismus der regierenden Parteien AKP und MHP, sei er ins Visier geraten. Die drei Angreifer hätten auch ein Messer bei sich getragen, flohen aber, als Nach­ba­r*in­nen auf ihn aufmerksam wurden, twittert er. So konnte Schlimmeres verhindert werden, und seine Kopfverletzungen würden schon bald wieder verheilen. Ob sie sich hier sicher fühle, hatte Acarer die Autorin Aslı Erdoğan gefragt. Ihre Antwort: „Absolut nicht. Wer vom türkischen Staat zur Zielscheibe gemacht wurde, kann sich nicht sicher fühlen.“

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