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Die Bürgermeisterin

Seit viereinhalb Jahren ist die Nordirakerin Nuxsha Nasen Bürgermeisterin der Provinzhauptstadt Halabja – und will nun Gouverneurin der ganzen Region werden. Das Protokoll einer Karriere

Nach dem Jurastudium an der Universität Sulimaniyah habe ich mehrere Jahre in der Zentralbehörde für Sicherheit gearbeitet, zuletzt als Leiterin der Rechtsabteilung. Doch ich wollte im sozialen Bereich arbeiten und mehr mit Menschen zu tun haben. Deshalb habe ich mich als Bürgermeisterin in der Kleinstadt Biyare an der iranischen Grenze beworben.

Dass ich mit 28 Jahren die erste weibliche Leiterin einer Verwaltung werden wollte, erschien den Bür­ge­­r*in­nen suspekt. Manche Männer wetteten auf eine kurze Amtsdauer, einige meiner Freun­d*in­nen meinten, ich könne keinen Erfolg haben, da in jenen Jahren, Anfang der 2000er, eine islamistische Extremistengruppe in der Provinz Halabja viel Ärger machte. Man sagte mir, du bist zu jung und kannst diese Aufgabe nicht meistern.

Trotz einigen Gegenwinds bekam ich schließlich den Posten. Natürlich musste ich viel lernen und habe mich mit Fachleuten und Bür­ge­r*in­nen ausgetauscht. Viele Menschen haben mich unterstützt, so dass ich sieben Jahre als Bürgermeisterin von Biyare arbeiten konnte. Im Alltag ging es um Lösungen für soziale Probleme, die schwierige Situation der Bauern und Schwierigkeiten an der Grenze.

Meiner Meinung nach sollte man Schritt für Schritt Positionen übernehmen und Karriere machen. Viele Leute haben kaum Erfahrung und bekommen trotzdem hochrangige Jobs. Aber ich wollte nach meiner Funktion als Bürgermeisterin in einem kleinen Ort diese Aufgabe in einer größeren Stadt übernehmen. Viele Männer meiner Partei haben sich für das gleiche Amt beworben. Weil ich eine Frau bin, haben sie mir Steine in den Weg gelegt. So wurde behauptet, ich sei nicht erfolgreich. Das ist unwahr. Und überhaupt, es macht keinen Unterschied, ob ein Mann oder eine Frau die Verwaltungsaufgaben erledigt. Beide machen es entweder gut oder schlecht.

Seit viereinhalb Jahren bin ich Bürgermeisterin der Provinzhauptstadt Halabja. Die Arbeit hier in einer Stadt mit rund 57.000 Einwohnern ist ganz anders als in dem kleinen Ort Biyare. Halabja hat einen besonderen Platz in der internationalen Gemeinschaft, wegen des Genozids von 1988, bei dem bis zu 5.000 Menschen durch einen Giftgas-Angriff Saddam Husseins starben. Ich habe mich bemüht, Halabja und insbesondere die Fähigkeiten der überlebenden Frauen bekannter zu machen.

Rangeen Salam

Rangeen Salam ist eine Lokaljournalistin aus Halabja. Als Präsidentin würde sie „energisch gegen die Korruption vorgehen“ und „einen Filter gegen Hassreden in den sozialen Medien“ vorschreiben.

Frauen müssen ihre Kompetenz und Erfahrung vertiefen, um Führungsrollen übernehmen zu können. Viele Frauen aus Halabja sind talentiert und fähig, in administrativen und politischen Bereichen mitzuwirken. Angst vor den Aufgaben zu empfinden ist normal, besonders weil Frauen im Nahen Osten wenig Möglichkeiten bekommen, in der Verwaltung zu arbeiten. Ich werde nicht Bürgermeisterin bleiben, da wir in Halabja bereits viel erreicht ­haben: Frauen sind in leitenden Positionen im Rathaus, an der Universität, in der Gemeinde und in der Menschenrechts-Abteilung der Provinz Halabja.

Deshalb will ich nun mit 43 Jahren einen Karriereschritt weiter gehen und Gouverneurin der Provinz Halabja werden. Ich bin mir sicher, dass die Frauen dieser Stadt mich dabei unterstützen werden.

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