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Härtere Regeln für Unternehmen

Amazon, Google und Co müssen ihre Steuerzahlungen in den 27 EU-Ländern nun offenlegen. Fünf Jahre wurde um diese Transparenz gerungen

Auch EU-Länder wie Luxemburg, Malta oder die Niederlande sind an der Steuervermeidung beteiligt

Aus Brüssel Eric Bonse

Große Konzerne wie Amazon, Google oder Siemens sollen die Hosen herunterlassen und Gewinne und Steuerzahlungen in der Europäischen Union offenlegen. Darauf haben sich die 27 EU-Staaten und das Europaparlament nach fünfjährigen zähen Verhandlungen geeinigt. Die neuen Regeln sollen für mehr Transparenz und Steuergerechtigkeit sorgen. Das sogenannte „Country-by-Country-Reporting“ ist für multinationale Konzerne mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz geplant. Diese sollen ihre Nettoumsätze, den Gewinn oder Verlust vor Steuern und die tatsächlich gezahlten Ertragsteuern publizieren. Auch die Zahl der Mitarbeiter und die Tochterfirmen sollen aufgedeckt werden.

Bisher verstecken viele multinationale Konzerne ihre Geschäfte vor den europäischen Steuerbehörden. Die Gewinne werden in Tochterfirmen verschoben, die in Steueroasen angesiedelt sind, wo niedrige Sätze gelten. In den EU-Staaten hingegen melden die Firmen Verluste. Auch EU-Länder wie Luxemburg, Malta oder die Niederlande sind an der „Steueroptimierung“ – also -vermeidung – beteiligt. Auf diese Weise gingen den EU-Staaten jährlich mehr als 50 Milliarden Euro verloren, erklärte der portugiesische Wirtschaftsminister Pedro Siza Vieira, der derzeit den halbjährlich wechselnden EU-Vorsitz führt. „Es ist unsere Pflicht, sicherzustellen, dass alle Akteure ihren fairen Anteil zur wirtschaftlichen Erholung beitragen“, betonte er.

Um die Einigung zu erreichen, griff der portugiesische Vorsitz zu einem Trick. Wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, wird die neue Richtlinie nicht als Steuergesetz präsentiert, sondern als Harmonisierung des Gesellschaftsrechts für den europäischen Binnenmarkt. Somit reicht eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten für einen Beschluss, ein Veto kann die Novelle nicht stoppen. Bisher scheiterten faire und transparente Steuergesetze in der EU regelmäßig daran, dass dafür die Regel der Einstimmigkeit gilt. Denn Steuerpolitik ist immer noch eine nationale Domäne. Dies machten sich kleine EU-Staaten zunutze, um große Konzerne mit niedrigen Steuersätzen anzulocken. Damit soll nun Schluss sein.

Der grüne Europaabgeordnete und Finanzexperte Sven Giegold sprach von einem „Meilenstein für Steuergerechtigkeit“. Länderbezogene Steuertransparenz sei ein scharfes Schwert gegen Steuervermeidung. Wenn große Unternehmen ihre Gewinne und gezahlten Steuern pro Geschäftsland offenlegen müssten, werde Steuer­dumping für alle sichtbar.

Die deutsche Industrie reagierte besorgt. „Die Einigung über die öffentliche Preisgabe sensibler Unternehmensdaten ist ein harter Schlag für den Wirtschaftsstandort Europa“, sagte der Hauptgeschäftsführer von deren Bundesverband, Joachim Lang. Europäischen Unternehmen drohten nun erhebliche Wettbewerbsnachteile.

Kritik kommt auch von Transparency International. Der Kompromiss enthalte zu viele Schlupflöcher, kritisieren die unabhängigen Experten. Große Konzerne könnten weiter Steuerdumping und -vermeidung betreiben – wenn nicht in der EU, dann eben in Steueroasen außerhalb Europas. Ähnlich äußerte sich Oxfam. Die meisten Steuerparadiese stünden immer noch nicht auf der „Schwarzen Liste“, die die EU ausgearbeitet hat.

Allerdings gibt es auch außerhalb Europas internationale Bemühungen um mehr Fairness. So werben die USA im Industrieländerclub OECD für eine globale Mindeststeuer für Konzerne. Der Steuersatz soll bei 15 Prozent liegen. Die meisten EU-Länder unterstützen diesen Vorstoß. Doch Irland stellt sich quer – es will an seinem Billigtarif von 12,5 Prozent festhalten, von dem auch Amazon und Google profitieren. Die größten Sünder sitzen in den ­eigenen europäischen Reihen.

Um sie ausfindig zu machen und für mehr Druck zu sorgen, hat die EU-Kommission allerdings noch einen weiteren Trumpf im Ärmel. Bereits am Dienstag wurde eine Beobachtungsstelle für Steuerpolitik eingerichtet, die von dem prominenten französischen Ökonomen Gabriel Zucman geleitet wird. Er gilt als Experte für Steuergerechtigkeit. Die neue, in Paris angesiedelte Stelle wird EU-Mittel in Höhe von 1,2 Millionen Euro erhalten. „Es ist überaus wichtig, dass wir die öffentlichen Einnahmen schützen, die für die Erholung und die enormen Investitionen in den ökologischen und digitalen Wandel gebraucht werden“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.

Zum Start legte Zucman eine Studie vor, die die Vorteile einer globalen Mindestbesteuerung für Großkonzerne aufzeigt. Bei einem Steuersatz von 15 Prozent könnten die EU-Staaten demnach mit Mehreinnahmen von jährlich bis zu 50 Milliarden Euro rechnen. Die meisten EU-Länder könnten das Geld gut gebrauchen, denn die Coronapandemie hat riesige Löcher in die Budgets gerissen. Die Lage ist so ernst, dass die EU-Kommission am Mittwoch ankündigte, die strikten europäischen Defizit- und Schuldenregeln um ein weiteres Jahr auszusetzen – bis Ende 2022.

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