Afrikanische Union spaltet Afrika: Fußtritte und Morddrohungen

Während einer laufenden Sitzung im Panafrikanischen Parlament kommt es zu Prügelszenen. Grund sind die Differenzen zwischen Afrikas Regionalblöcken.

JOHANNESBURG taz | Ein Delegierter drohte einem anderen mit dem Tod. Ein Parlamentarier trat eine Kollegin mit Füßen. Eine Parlamentarierin griff einen Kollegen mit Desinfektionsmittel an. Die brutalen Szenen im Panafrikanischen Parlament, das parlamentarische Organ der Afrikanischen Union (AU), werden in Afrikas Geschichtsbücher eingehen, zur Schande des Kontinents.

Dass die Sitzung des AU-Parlaments im südafrikanischen Midrand im Fernsehen übertragen wurde, hinderte rivalisierende Gruppen nicht daran, die Kammer am Montag in eine Kriegszone zu verwandeln. Sie sorgten für eine Aussetzung der Wahl eines neuen Parlamentspräsidenten, aber ihre Wirkung geht tiefer: Spannungen und Spaltungen zwischen den regionalen Machtblöcken Afrikas wurden offengelegt.

Am schockierendsten war, wie der Senegalese Djibril die Südafrikanerin Pemmy Majodina mit Fußtritten malträtierte – im Parlament eines Kontinents, wo Gendergewalt ein besonders großes Problem ist. Die Simbabwerin Barbara Rwodzi benutzte ihr Handdesinfektionsmittel als Spraywaffe gegen einen nicht zu erkennenden weglaufenden Kollegen. Rufe nach einem Eingreifen der Polizei erwiesen sich als vergeblich, da keine aufzufinden war.

Das Panafrikanische Parlament hatte sich zuvor massiv darüber zerstritten, ob seine Führung direkt gewählt oder zwischen Afrikas Regionen rotieren soll. Das südliche Afrika tritt für das Rotationsprinzip ein, das auf Ebene der AU insgesamt gilt sowie bei der Regionalorganisation SADC (Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika).

Empörung in Südafrika

Aber Westafrika ist dagegen, ebenso das östliche Afrika. Das sorgt für Empörung in Südafrika, wo das Parlament tagt: Der südafrikanische Oppositionsführer Julius Malema soll damit gedroht haben, einen anderen Parlamentarier zu töten. Der Streit wurde der AU-Rechtsabteilung vorgelegt. Die entschied zugunsten des Rotationsprinzips, da das Parlament den AU-Regeln zu folgen habe.

AU-Kommissionspräsident Moussa Faki Mahamat äußerte sich schockiert. „Die schockierenden Gewaltszenen im Panafrikanischen Parlament beschmutzen das Bild dieser ehrwürdigen Institution“, sagte der Politiker aus Tschad. „Ich rufe alle Parlamentarier dazu auf, zur Besinnung zu kommen und sich an die Verfahrensregeln der Institution zu halten.“

Aber der Streit ist nicht ausgestanden. Am Dienstag verurteilte die südafrikanische Delegation im Parlament die „frechen“ Versuche Ost- und Westafrikas, den AU-Beschluss zum Rotationsprinzip zu missachten und „die Einheit des Kontinents zu untergraben“. Das geografische Rotationsprinzip sei in der AU „gut eingeführt“, hieß es. Ost- und Westafrika „nutzen ihre Mehrheit im Parlament, damit nur ihre eigenen Kandidaten die Parlamentspräsidentschaft bekleiden, und um sich dagegen zu schützen, ihre Verwendung des Parlaments­etats offenzulegen“.

Das Panafrikanische Parlament wurde im Jahr 2004 als legislatives Organ der AU gegründet. Es hat beratende Funktion und ist nicht direkt gewählt. Es hält derzeit die vierte Sitzungsperiode seiner fünften Legislaturperiode ab, unter dem AU-Jahresmotto für 2021 „Jahr der Kunst, der Kultur und des Erbes“.

Die Sitzungsperiode läuft noch bis zum 4. Juni. Am Dienstagnachmittag sollten die Sitzungen weitergehen – unklar blieb zunächst, ob es doch noch einen Versuch geben würde, den Parlamentspräsidenten per Wahl zu bestimmen. Derzeit bekleidet den Posten Chief Fortune Charumbira aus Simbabwe. Er übernahm das Amt im März von Bouras Djamel aus Algerien, der es mit der Parlamentsauflösung in seinem Heimatland abgeben musste.

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