Hörtest für Norwegens Wale

Norwegische ForscherInnen wollen untersuchen, in welchem Abstand junge Zwergwale Sonare hören können. Doch der Untersuchungsaufbau wird für die Tiere Stress bedeuten. TierschützerInnen protestieren daher gegen das Vorhaben

Die Kritik: Die Versuche würden die Tiere stressen, unnötiges Leid verursachen und seien überflüssig

Aus Stockholm Reinhard Wolff

Wale haben ein fantastisches Gehör. Sie können sich über Hunderte von Kilometern verständigen. Und weil ihr Gehör auch der Orientierung dient, ist menschlich verursachter Unterwasserlärm nicht nur störend, sondern kann lebensgefährlich für sie werden. Viel ist aber noch unerforscht über die Art, wie und in welchen Frequenzbereichen sie hören. Im Rahmen eines Experiments im Vestfjord vor den norwegischen Lofoten wollen ForscherInnen nun mehr herausfinden. Aber das gibt jetzt Ärger.

So bezeichneten über 50 WissenschaftlerInnen die geplanten Forschungsexperimente in einem offenen Brief an Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg als „völlig inakzeptabel“. Die Versuche würden die Tiere stressen, ihnen unnötiges Leid verursachen und seien noch dazu überflüssig. Eine entsprechende Online-Petition gegen diese „grausamen Walexperimente“ wurde mittlerweile mehr als 66.000 Mal unterzeichnet.

Genau geplant ist Folgendes: Junge Zwergwale sollen erst in eine mit Netzen abgesperrte Meerenge geschleust und danach dort drei bis vier Tage in einem circa 300 mal 150 Meter großen Bereich gefangen gehalten werden. An 12 von ihnen will man dann bis zu sechs Stunden lang Messungen zu ihrer Hörfähigkeit vornehmen. Das Experiment war schon 2019 von der norwegischen Lebensmittelbehörde Mattilsynet genehmigt, seine Durchführung wegen Corona aber auf dieses Jahr verschoben worden. 2022 soll es noch einmal stattfinden.

Forschungsleiter Petter Kvadsheim führt die Proteste von TierschützerInnen auf „Missverständnisse“ zurück. „Wir wollen doch keinesfalls testen, wie viel Lärm die Tiere aushalten“, erklärte er im norwegischen Rundfunk: „Das sind Tests, wie Ohrenärzte sie auch bei Menschen vornehmen.“ Konkret solle das Hörvermögen der Wale „über die Erfassung des akustisch evozierten Potentials gemessen werden“. Kvadsheim: „Weil sie uns nicht sagen können, was sie hören, wird das mithilfe von Elektroden gemessen.“

Dass die zeitweise Gefangenschaft die Wale stressen wird, gesteht auch Kvadsheim zu. Er meint aber, das Experiment sei wichtig genug, um diese Nachteile in Kauf nehmen zu können. Viele nationale und internationale Forschungsinstitutionen würden diese Einschätzung ebenfalls teilen. Norwegische NGOs sind allerdings unterschiedlicher Ansicht: Die Umweltschutzorganisation Bellona unterstützt das Experiment, während die Naturschutzorganisation NOAH vergeblich versuchte, die behördliche Genehmigung zu stoppen.

Was die Bedenken vieler TierschützerInnen zusätzlich weckt: Teile des Budgets finanziert die US-Marine und die Experimente werden vom norwegischen Militärforschungsinstitut FFI durchgeführt. Warum dieses Interesse des Militärs? Der offizielle Zweck des Experiments ist dabei recht vage formuliert: Es soll „das Gehör von Bartenwalen kartiert werden“, beispielsweise, „in welchem Abstand diese Sonare hören können“.