Druck kommt vor der Kür

Annalena Baerbock soll am Wochenende zur Grünen-Spitzenkandidatin gewählt werden. Und steht in Kritik

Annalena Baerbock im Juni 2021 Foto: Florian Gärtner/photothek/imago

Von Jasmin Kalarickal

Annalena Baerbock steht an diesem Samstag eine wichtige Rede bevor. Beim dreitägigen Grünen-Parteitag, der von Freitag bis Sonntag digital stattfindet, soll sie offiziell zur Kanzlerkandidatin gekürt und gemeinsam mit Robert Habeck als Spitzenduo bestätigt werden. Das mediale Interesse wird groß sein, mit wie viel Rückendeckung die beiden rechnen können. Die Grünen haben erstmals in ihrer über 40-jährigen Parteigeschichte das Kanzleramt als Ziel ausgegeben und die Union herausgefordert.

Baerbock und ihre Partei stehen derzeit massiv in der Kritik: Baerbock meldete Nebeneinkünfte zu spät nach, Habeck verwirrte mit der Forderung, „Defensivwaffen“ an die Ukraine zu liefern, das Ergebnis der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt fiel schlechter aus als erwartet.

In einer Debatte um höhere CO2-Preise griff die politische Konkurrenz die Grünen hart an und warf der Partei vor, nicht für sozialen Ausgleich zu sorgen – dabei haben die Grünen mit ihrem Programm und dem Energiegeld genau das vorgesehen. Zuletzt sorgte der Lebenslauf von Annalena Baerbock für Aufregung, weil Studienabschlüsse missverständlich und Mitgliedschaften nicht korrekt angegeben und mehrfach nachgebessert wurden. Im Ergebnis rutschten die Grünen in den Umfragen wieder hinter die Union, auch die Beliebtheitswerte von Baerbock sinken.

Am Donnerstagabend versuchte sich Baerbock dann in Schadensbegrenzung. In der ARD-Sendung „Farbe bekennen“ stellte sie sich zur Primetime einer harten Befragung zur Causa Lebenslauf. „Ich habe da offensichtlich einen Fehler gemacht“, räumte sie ein. Sie wolle „Vertrauen zurückgewinnen“. Immer lenkte sie auf politische Inhalte: Kinder, Familien, Klimaschutz, Umbau der Wirtschaft, soziale Gerechtigkeit. Und betonte, keineswegs ihren Posten räumen zu wollen. Doch Baerbock steht unter Druck. In einer Spiegel-Kolumne hieß es etwa, sie habe ihre Glaubwürdigkeit verspielt.

Rückhalt bekam Baerbock von Katrin Göring-Eckardt, Grünen-Fraktionsvorsitzende. Fehler seien menschlich, der Umgang damit das Entscheidende, sagte diese im Deutschlandfunk. Baerbocks Glaubwürdigkeit bleibe gewahrt. Habeck räumte schon im Vorfeld des Parteitags Fehler der Partei ein: „Wir haben jedenfalls den anderen es leicht gemacht.“ Die Veränderungsnotwendigkeit in der Klimapolitik sei groß – dafür gebe es eine Bereitschaft in der Gesellschaft. Er erwarte eine „fulminante“ Unterstützung für Baerbock und ein „starkes Signal“ der Solidarität.

Beim Bundesparteitag soll auch das Wahlprogramm beschlossen werden. 3.280 Änderungsanträge sind zum Entwurf des Parteivorstands eingegangen. Strittige Punkte sind etwa die Höhe des CO2-Preises oder des Mindestlohns, die Haltung zu Drohnen oder ob das Wort „Deutschland“ im Programmtitel bleibt oder nicht. Bis Redaktionsschluss hatte der Parteitag noch nicht begonnen.