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Impfen ab jetzt ganz ohne Prio

Die Einteilung in Gruppen für das Impfen ist hinfällig – doch Termine und Impfstoff sind weiter knapp

Jetzt darf sich jeder gegen das Coronavirus impfen lassen – zumindest theoretisch

Die Ärzte haben die Bevölkerung angesichts der Aufhebung der Impfpriorisierung in den Praxen ab Montag zu Geduld und Rücksicht aufgerufen. Er rechne mit einem „Ansturm auf die Praxen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, am Samstag. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sprach von einer vorhersehbaren Entwicklung.

Von kommender Woche an darf sich damit auch in Berlin und Brandenburg jeder gegen das Coronavirus impfen lassen – zumindest theoretisch. Aus Brandenburg hieß es, dass in den dortigen Hausarztpraxen noch immer nicht ausreichend Impfstoff bereitstehe. „Es gibt noch Kollegen, die haben noch nicht mal die Älteren durch“, sagte die Vorsitzende des Landeshausärzteverbandes, Karin Harre, am Freitag. „Grundsätzlich sind wir ja vorbereitet“, so die Ärztin mit Blick auf die Aufhebung der Impfpriorisierung. „Aber es wird uns einfach noch nicht genügend Impfstoff geliefert, um alle impfen zu können.“ Vorrang haben noch die Zweitimpfungen. Arztpraxen sollten nach Ansicht der Landesärztekammer in Brandenburg bevorzugt mit Corona-Impfstoff versorgt werden. Die Erfahrung zeige, dass sich gerade die besonders gefährdeten älteren Menschen eher bei ihren Hausärzten in der Nähe als in einem weit entfernten Impfzentrum immunisieren lassen möchten.

Unterdessen sieht die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB) die Aufhebung der Impfreihenfolge sehr kritisch, weil der Impfstoff in Brandenburg nach wie vor knapp ist. „Die Bestellmengen für die Hausarztpraxen sind immer noch stark quotiert“, hatte Sprecher Christian Wehry berichtet. Für die kommende Woche konnten pro Arzt nur maximal 18 Dosen des Mittels von Biontech/Pfizer bestellt werden. Die KVBB fürchtet, dass der schon bestehende Ansturm auf die Arztpraxen ab Montag noch stärker wird.

Mehr als eine halbe Million Menschen in Brandenburg haben bislang den vollen Impfschutz gegen das Coronavirus. Wie der Impflogistikstab am Freitag mitteilte, waren mit Stand Donnerstag 517 977 Menschen vollständig geimpft, also je nach Impfstoff auch ein zweites Mal – ein Bevölkerungsanteil von 20,5 Prozent.

Auch vor dem Start des Präsenzunterrichts in allen Brandenburger Schulen ist das Impfen Thema: Demnach haben sich die Bildungsgewerkschaft GEW und weitere Verbände skeptisch gezeigt. Unabdingbare Voraussetzung dafür wäre zumindest eine Corona-Erstimpfung für alle im Präsenzunterricht eingesetzten Lehrkräfte, sagte der GEW-Landesvorsitzende Günther Fuchs der Deutschen Presse-Agentur. „Und viele Lehrkräfte haben noch immer keine Impfung erhalten.“ Der Brandenburgische Pädagogenverband und die Landesschülervertretung befürchten, dass Corona-Infektionen den Schülern und ihren Familien den Start in die Sommerferien verhageln könnten.

Am Montag starten in Brandenburg nach den Grundschulen auch die weiterführenden Schulen wieder im Präsenzunterricht. Zweieinhalb Wochen später beginnen in Brandenburg am 24. Juni die Sommerferien. In Berlin starten die Schulen ab Mittwoch wieder in den Präsenzunterricht.

Das Brandenburger Bildungsministerium hatte erklärt, dass bereits alle Lehrkräfte und das gesamte Personal an den Schulen ein Impfangebot erhalten hätten. Es bestehe allerdings ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der Ausgabe der Berechtigungsscheine, dem Bemühen um einen Termin und einer tatsächlichen Impfung, kritisierte Fuchs.

Währenddessen liegt die Sieben-Tage-Inzidenz in Berlin weiter unter 30. Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete am Sonntag einen Wert von 26,5 für die Hauptstadt, in Brandenburg lag die Inzidenz bei 13. Die Zahl gibt an, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen neu mit dem Coronavirus infiziert haben. Am Vortag lag die Inzidenz in Berlin mit 26,3 noch leicht niedriger.(dpa, mit epd)

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