Erdgasförderung in Niedersachsen: Kommt Fracking zurück?

Teile des Fracking-Verbotes stehen auf dem Prüfstand. Die niedersächsische Landesregierung glaubt, es bleibt. Die Grünen trauen dem Frieden nicht.

Menschen halten bei einer Demonstration Schilder hoch, auf denen steht "Fracking tötet" und "Hände weg vom Moratorium"

Proteste 2016: Jetzt, fünf Jahre später, steht die Regelung wieder auf dem Prüfstand Foto: Sebastian Gollnow/dpa

HANNOVER taz | Als sich CDU und SPD im Bundestag 2016 nach langem, zähem Ringen überraschend doch noch auf ein Fracking-Gesetz geeinigt hatten, atmeten in Niedersachsen viele Menschen auf. Immerhin macht hier die herkömmliche Erdgasförderung schon genug Probleme – der Widerstand gegen das Fracking, vor allem das sogenannte unkonventionelle Fracking, war heftig.

Beim Fracking werden unter hohem Druck Wasser, Sand und Chemikalien ins Gestein gepresst, um Erdöl- und Erdgasvorkommen zu heben, an die man bisher nicht ran kam.

Der Haken daran: Es steht im Verdacht, Erdbeben auszulösen, Grund- und Trinkwasservorkommen zu gefährden und klimaschädliches Methan freizusetzen. Das gilt vor allem für das unkonventionelle Fracking, bei dem in Schiefer-, Ton-, Mergel- oder Kohleflözgestein gesucht wird – das liegt dichter an der Oberfläche und den Wasserreservoirs als der Sandstein, der beim konventionellen Fracking traktiert wird.

Der Kompromiss, auf den man sich damals einigte: Es sollte eine Expertenkommission gebildet werden, die die Forschungslage in diesen drei kritischen Punkten zusammenfasst und bis zu vier Probebohrungen bundesweit wissenschaftlich begleitet. Wenn diese Expertenkommission nach fünf Jahren neue Erkenntnisse zu Tage förderte, könnte der Bundestag eine Aufhebung des Verbotes und eine neue Genehmigungspraxis beschließen.

Bereitet die Experten-Kommission eine Kehrtwende vor?

Nun ist es bald soweit: Am 30. Juni soll die Expertenkommission im Bundestag ihren Abschlussbericht vorstellen. Die Grünen in Niedersachsen wollten deshalb schon einmal wissen, wie sich die Landesregierung des am stärksten betroffenen Bundeslandes zu diesem Thema positionieren will.

Die Antwort aus Bernd Althusmanns (CDU) Wirtschaftsministerium auf die Kleine Anfrage: „Die Landesregierung lehnt die Aufsuchung und Gewinnung von unkonventionellen Erdgasvorkommen unter Einsatz der Frac-Technologie auch über das Jahr 2021 hinaus ab.“

So weit, so schön aus Sicht der Umweltschützer. Doch es gibt ein paar weitere Sätze, die sie aufmerken lassen. Da ist die Rede von „weiterhin bestehenden Informations- und Wissensdefiziten“ und davon, den Abschlussbericht der Expertenkommission abzuwarten.

Die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Imke Byl, ist überzeugt davon, dass sich die große Koalition hier ein großes Schlupfloch offenhalten will. Denn mittlerweile hat diese Expertenkommission einen Berichtsentwurf vorgelegt, der sich stellenweise wie eine Kehrtwende liest.

Es gebe ein umfangreiches Wissen zum Thema Fracking, schreiben die Experten darin. Ausgewertet haben sie vor allem Studien aus den USA, Kanada und Australien, aber auch China und Europa. Die zeigten, dass sich „die Umweltrisiken aufgrund von Fracking unkonventioneller Lagerstätten durch eine angepasste Steuerung und Überwachung der Maßnahmen minimieren lassen“, heißt es im Vorwort des Berichtes.

Nur die Hälfte der Hausaufgaben sind erledigt

Die Grünen sind nicht die einzigen, denen das sauer aufstößt. Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), in dem die Wasserversorger der Gemeinden vertreten sind, äußerte sich kritisch: Die vorliegenden Gutachten könnten die Bedenken nicht ausräumen, dass Fracking-Bohrungen in der Praxis doch zu Schäden an den Trinkwasserressourcen führen könnten, erklärte ein Sprecher gegenüber der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZFK).

Für das Misstrauen gegenüber der Expertenkommission gibt es allerdings noch ein paar ältere Gründe: Der Arbeitsauftakt war mehr als holprig. Nach dem Einsetzen der Kommission durch den Bundestag dauerte es erst einmal zwei Jahre bis überhaupt alle Mitglieder benannt waren und sie sich konstituieren konnte – damit war fast die Hälfte der Laufzeit schon vorüber.

Einwände übergangen

Dann überging man gleich beim ersten Bericht die Einwände von Umweltverbänden, setzte die Frist für die Beteiligung der Öffentlichkeit so knapp, dass kaum Stellungnahmen eingingen. Auch aus der angestrebten wissenschaftlichen Begleitung von Probebohrungen wurde nichts: Es stellte überhaupt kein Unternehmen einen Antrag auf so ein Erprobungsvorhaben.

Damit ist einerseits fraglich, ob die Kommission ihren Auftrag überhaupt so richtig erfüllen kann. Andererseits könnte man dies auch als Zeichen dafür interpretieren, dass die Unternehmen diesen Entwicklungsbereich längst abgeschrieben haben, weil er am Ende vielleicht doch zu teuer, zu aufwendig und mit zu vielen Unsicherheiten belastet ist.

Die Grünen bohren hartnäckig weiter danach, ob in Niedersachsen nicht doch irgendjemand in den Startlöchern steckt, um das umstrittene Verfahren anzugehen. Doch alle Detailfragen nach genehmigungspflichtigen Aufsuchungsvorhaben, Stimulations- und Frackingbehandlungen liefen ins Leere. Dem zuständigen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) sind keine derartigen Vorhaben bekannt.

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