: „Querdenker“ in der Krise
Ein Protestwochenende der Coronamaßnahmenkritiker in Berlin floppt. Der frühere Bundespräsident Gauck wirbt um mehr Verständnis für den Protest und Merkel warnt vor nächster Pandemie
Es sollte ein bundesweiter Großprotest in der Hauptstadt werden. Stattdessen versammelten sich am Pfingstwochenende nur wenige Hundert GegnerInnen der Coronamaßnahmen in Berlin. Und die Polizei nahm auch noch etliche von ihnen wegen Verstößen gegen Hygieneregeln vorübergehend fest.
Gerichte hatten schon im Vorfeld zwei mit jeweils 16.000 TeilnehmerInnen angemeldete Demonstrationen der „Querdenker“ verboten, da bei früheren Protesten Auflagen nicht eingehalten worden seien. Dennoch gingen einige Protestierende in Berlin auf die Straße.
Am Samstag versammelten sich einige Hundert Demonstrierende vorrangig im Regierungsviertel. Am Sonntag wurde nahe dem Schloss Bellevue eine „Mahnwache zur Wiederherstellung der Grundrechte“ angemeldet, wo sich rund 300 TeilnehmerInnen einfanden. Die Polizei löste diese Versammlung und eine am Breitscheidplatz, wo sich laut Polizei „wenige Hundert“ Demonstrierende einfanden, wegen Hygieneverstößen schließlich auf. Auch am Montag blieben die Proteste der „Querdenker“ überschaubar, die sich an mehreren Plätzen sammelten.
Polizeisprecher Thilo Cablitz sagte dem Evangelischen Pressedienst, der Polizeieinsatz sei ein „klares Zeichen“ an die „Querdenken“-Szene gewesen. „Wir haben deutlich gezeigt, dass wir frühzeitig reagieren.“ Im Einsatz gewesen sei jeweils bis zu 3.000 PolizistInnen.
In der „Querdenken“-Szene wurde teils frustriert auf das Wochenende reagiert. Der Protest bringe nichts, sagte eine Rednerin: Die Leute säßen lieber geimpft oder getestet in den Restaurants und amüsierten sich.
Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck forderte derweil mehr Toleranz für die Corona-Demonstrierenden. „Ja, das Ausmaß an Spinnerten, die Querfront von Linksaußen bis Rechtsaußen und das Esoterische, das alles schreckt ab“, sagte er dem Tagesspiegel. „Aber nicht alle, die dort mitlaufen, sind eine Gefahr für die Demokratie. Wir können doch nicht alle ausgrenzen, die mit der Corona-Politik unzufrieden sind.“ Gauck hatte bereits 2020 eine „erweiterte Toleranz“ gegenüber AfD-WählerInnen eingefordert. Das gelte nun auch für „Querdenker“ und „Impfgegner“, sagte er.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte wiederum vor neuen Pandemien und rief die Welt auf, sich besser dagegen zu wappnen. „Diese Pandemie ist noch nicht bewältigt; und sie wird auch nicht die letzte sein“, sagte Merkel in einer Videobotschaft, die am Montag zum Auftakt der virtuellen Jahrestagung der 194 Mitgliedsländer der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eingespielt wurde.
„Nach der Pandemie ist vor der Pandemie“, bekundete Merkel. „Auf die nächste sollten wir möglichst gut vorbereitet sein.“ Die Bundeskanzlerin warb für einen internationalen Pandemievertrag, der Länder zu besserer Kooperation bringen soll. Die Hoffnung ist, dass dadurch früher gewarnt und schneller gehandelt werden kann, um eine neue globale Pandemie im Keim zu ersticken. (taz, dpa, epd)
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