Christian Rath zu den gescheiterten Klagen gegen die EZB-Anleihen: Verfassungsgericht im Kleinkrieg
Das Bundesverfassungsgericht lässt den Konflikt mit der EU vorerst ruhen. Es lehnte nun einen Antrag der Eurokritiker Bernd Lucke (Ex-AfD) und Peter Gauweiler (CSU) ab, die neues Öl ins Feuer gießen wollten. Karlsruhe wollte im Mai 2020 zeigen, wer in der EU das letzte Wort hat, und verlangte von der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ihres billionenschweren Anleihe-Ankauf-Programms.
Die EZB sprang trotz Bedenken über das hingehaltene Stöckchen, was klug war, und führte eine Pro-Forma-Prüfung durch. So konnten Bundestag und Bundesregierung auf die erfüllten Bedingungen verweisen – und Karlsruhe konnte das Verfahren nunmehr abschließen.
Der unnötige Konflikt hat Karlsruhe im In- und Ausland viel Reputation gekostet. Zwar ist es vernünftig, wenn sich das Bundesverfassungsgericht für Notfälle ein Kontrollrecht vorbehält – etwa wenn Faschist:innen auf EU-Ebene die Mehrheit erlangen. Aber der ständige Kleinkrieg mit dem eigentlich zuständigen Europäischen Gerichtshof (EuGH) über die Kontrolle einer von allen Mitgliedstaaten getragenen EU-Finanzpolitik muss aufhören.
Der Hauptkonflikt in der EU betrifft die ins Autoritäre abgleitenden Mitgliedstaaten, insbesondere Polen und Ungarn. Es wäre deshalb klug, wenn das Bundesverfassungsgericht den EuGH künftig unterstützt, anstatt renitenten Mitgliedstaaten Munition zu liefern.
Eigentlich waren die Karlsruher Richter:innen auf einem guten Weg. Sie hatten schon 2010 beschlossen, nur zu intervenieren, wenn die EU-Organe ihre Befugnisse „offensichtlich“ überschreiten und dabei „strukturell bedeutsame Verschiebungen“ vornehmen. Daran hätte sich das Gericht auch im aktuellen Streit halten sollen – der sich ja mit einem simplen EZB-Beschluss lösen ließ, wie man heute sieht.
Es ist zu hoffen, dass bald auch die EU-Kommission auf das angedrohte Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und das Bundesverfassungsgericht verzichtet. Es hat schließlich noch nie geholfen, Überreaktionen mit Überreaktionen zu vergelten.
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