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Schreddern fürs Klima

Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies hat sich klar positioniert: Wer die Energiewende will, muss beim Artenschutz Abstriche machen. Naturschützer sind entsetzt

Von Nadine Conti

„Wer die Windkraft ausbauen will, muss in Kauf nehmen, dass auch bestimmte Arten den Anlagen zum Opfer fallen könnten“, sagte Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies der Deutschen Presseagentur. „Das wollen viele nicht hören, das ist eben auch ein Teil der Wahrheit. Wenn wir uns jetzt nicht wesentlich stärker um den notwendigen Klimaschutz kümmern, haben wir schon in wenigen Jahren wesentlich dramatischere Konsequenzen beim Artenschutz.“

Hintergrund ist ein Vorstoß von Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Der versucht sich gerade an einem Befreiungsschlag, um die hoffnungslos festgefahrenen Verhandlungen zwischen den Landesumweltministern wieder in Bewegung zu bringen. Die versuchen nämlich nun schon seit geraumer Zeit sich auf gemeinsame Standards zum Artenschutz bei der Genehmigung neuer Windenergieanlagen zu einigen – die heikle Frage war bei der aktuellen Novelle des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) zunächst ausgespart worden.

Jetzt droht Flasbarth damit, eine Bundesregelung zu schaffen, wenn die Länder das nicht fertigbringen.

BUND und Nabu reagieren naturgemäß wenig begeistert: „Arten- und Naturschutz in Niedersachsen stehen schon jetzt sehr schlecht dar und benötigen dringend einer Verbesserung. Den ohnehin nicht ausreichenden Schutz jetzt weiter einschränken zu wollen, führt alle bisherigen Bemühungen im Arten- und Naturschutz insgesamt ad absurdum“, kritisiert Holger Buschmann, Landesvorsitzender des Nabu Niedersachsen. Es müsse doch wohl eigentlich die Aufgabe des Landes sein, beides zusammen zu denken. Die Energiewende nütze ja schließlich auch nichts, wenn gleichzeitig die Lebensgrundlagen zerstört würden.

Buschmann verweist auf die noch unter rot-grün beschlossenen Maßnahmenbündel: Energieeffizienz und Einsparungen, Beibehaltung der Biomasse und der Wasserkraft, Repowering der bestehenden Windkraftanlagen, Ausschöpfung der Dachflächenpotenziale für Photovoltaik – alles Dinge, die für Mäusebussard und Rotmilan weitaus weniger bestandsgefährdend seien als ein Ausbau von Windkraft.

Und auch die BUND-Landesgeschäftsführerin Susanne Gerstner reagiert vor allem mit „ja, aber“. Auch der BUND habe ehrgeizige Klimaschutzziele gefordert und die bräuchten einen konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien – aber nicht auf Kosten des Naturschutzes. 2020 habe man deshalb konkrete Forderungen formuliert. Dazu gehören zum Beispiel Schutzzonen, die für den Ausbau Tabu sein sollen und Mindestabstände zu den Horst- und Nistplätzen sensibler Arten. Auch bei Windkraftanlagen im Wald und im Wattenmeer soll Niedersachsen sich nach dem Willen des BUND beschränken.

Die niedersächsischen Grünen möchten den Zielkonflikt vor allem klein moderieren: „Artenschutz und der Ausbau der Windenergie sind keine Gegensätze. Sie passen für eine klimaneutrale und nachhaltige Zukunft hervorragend zusammen.“ Es fehle jedoch gerade in Niedersachsen an einem Arten-Monitoring, um bereits vor Planvorhaben genügend Daten über vorkommende schützenswerte Arten zu haben. „Das wäre die Aufgabe des Umweltministers“, sagt die energiepolitische Sprecherin Imke Byl.

„Dieser Konflikt wird häufig größer gemacht, als er bei rationaler Betrachtung ist“

Bärbel Heidebroek, LEE-Vorsitzende

Das sieht Bärbel Heidebroek vom Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen/Bremen durchaus ähnlich. „Natürlich wünschen wir uns eine klarere Regelung, die vor allem mehr auf die Populationen der Tierarten insgesamt schaut – und nicht so sehr auf das einzelne Tier. Das ist schließlich durch ganz andere Dinge – Straßenverkehr, Glasflächen – noch viel stärker gefährdet.“

Die Erfahrung zeige ja, dass der Artenschutz auch gern instrumentalisiert werde, um Windkraftanlagen zu verhindern, die man aus anderen Gründen nicht haben wolle. Und für einen zügigen Ausbau ist das in der Tat ein riesiges Problem, insofern seien die Windkraftanlagenbetreiber Lies und Flasbarth für den Vorstoß durchaus dankbar.

Allerdings, sagt Heidebroek, die selbst Windparks im Braunschweiger Raum betreibt, habe sie auch den Eindruck, der Konflikt werde häufig größer gemacht, als er bei rationaler Betrachtung sei. Da wäre einfach mehr nüchterne Abwägung mit dem dicken Daumen gefragt, sagt sie – statt immer so eine Entweder-Oder-Haltung einzunehmen.

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