Die Wahrheit: In der Papageien-Szene umstritten

Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (119): Der Spix-Ara, eine seltene und teure Papageienart, ist zum Spekulationsobjekt mutiert.

Ein ausgestopftes Exemplar.

Bushido gefällt das: Cyanopsitta Spixii Foto: Daderot/commons.wikimedia.org

Es sind blaue Papageien, mit grauweißen Köpfen, oft etwas verwuschelt. Benannt wurden sie nach dem Naturforscher Johann Baptist von Spix. Sie sind in ihrem Verbreitungsgebiet in Brasilien ausgestorben, 2000 wurde dort das letzte Männchen gesehen. Ein für es ausgewildertes Weibchen starb an den Drähten einer Stromleitung. Aber in Zoos und von privaten Papageienhaltern werden noch Spix-Aras gehalten. Einer kostet etwa 100.000 Dollar.

2011 meldete die Märkische Oderzeitung: „Die letzten Spix-Aras leben in Schöneiche. Sie gehören dort zur wertvollen ‚Reservepopulation‘ des Vereins zur Erhaltung bedrohter Papageien“. In Volieren gehalten, umsorgt von Pflegerinnen, Tierärzten und Biologen, geschützt „hinter Sicherheitstoren und Stahlzäunen, überwacht von Kameras und abgeschirmt von blickdichten Hecken“, ergänzte die Süddeutsche Zeitung 2018. Der Verein Association for the Conservation of Threatened Parrots (ACTP) ist Teil eines internationalen Netzwerks von „Schutzprojekten“. Ihm gehörten zunächst 7 Spix-Aras. Der Vereinsvorsitzende Martin Guth war zuvor in der Bau- und Immobilienwirtschaft tätig und züchtet seit seiner Kindheit Papageien.

2015 wurden in Schöneiche vier Spix-Aras geboren. Guth schickte zwei Vögel zum Auswildern nach Brasilien. Sie wurden von der brandenburgischen Umweltministerin am Flughafen Tegel medienwirksam verabschiedet. Die Süddeutsche Zeitung berichtete: „Martin Guth führte früher einen Nachtclub und war Schuldeneintreiber. 1996 wurde er zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.“ Die angloamerikanischen Papageienforscher und Umweltjournalisten wollen ihn am Liebsten erneut aus dem Verkehr ziehen: Ein US-Zoologe nennt Guth einen „Verbrecher“, der Guardian veröffentlichte ein Enthüllungsstück voll mit „haltlosen Vorwürfen“, wie die Süddeutsche Zeitung meinte, die dahinter „Neid und Dünkel“ vermutete.

In dem Buch „Warten auf die Aras“ (2008) schreibt der kanadische Umweltjournalist Terry Glavin: Naturschützer, Artenschutzorganisationen und die brasilianische Regierung waren in einem „Dilemma“. Um die Art zu erhalten, mussten sie eine „Übereinkunft“ mit „einer Handvoll millionenschwerer Exzentriker und von Sammelwut Besessener treffen, die Spix-Aras in ihren Privatzoos hielten.“

Eine halbe Million

Auch das von der brasilianischen Regierung und diversen Tierschutzorganisationen gegründete internationale Komitee, das diesen „Pakt“ überwachen sollte, bestand laut Terry Glavin aus „zwielichtigen Gestalten“, so dem Amerikaner Tony Silva, der wegen des Schmuggels von Hyazinth-Aras sieben Jahre einsaß, und Antonio de Dios, einem philippinischen Millionär, „der in seiner schwer bewachten Vogelzuchtanlage mehrere Tausend Papageien, darunter ein halbes Dutzend Spix-Aras, hielt“, sowie Wolfgang Kiessling, Besitzer des „Disneyland-Zoos Loropark auf Teneriffa“ und zweier Spix-Aras, der für die Auswilderung 500.000 Dollar zur Verfügung stellte.

Martin Guth vermutet hinter dem geballten „Rufmord“ den Präsidenten der „Rare Species Conservatory Foundation“ in Florida, Paul Reillo. Im Übrigen beteuert er, keine Geschäftsbeziehungen mehr zum Berliner „Clan-Chef“ Arafat Abou-Chaker zu haben. Die Bild hatte berichtet, der Rapper Bushido und Abou-Chaker „spendeten sehr viel Geld“ an einen „Papageienverein in Brandenburg, dessen Vorsitzender von der Staatsanwaltschaft ebenfalls zur organisierten Kriminalität gerechnet wird“. Dazu sagte Martin Guth: „Alles ist sauber, von den Finanzbehörden bestätigt.“ Die Schweizer Handelszeitung berichtete, dass der Schweizer Geschäftsmann „R.M.“ im Auftrag von Abou-Chaker und Bushido mehrere „Unternehmen sanierte und abwickelte“. Was die beiden Genannten jedoch bestritten.

Anfang 2000 hatte „R.M.“s Firma für „Immobilienhandel und Vogelzucht“ 15 Spix-Aras gekauft, etwa ein Fünftel des damaligen weltweiten Bestandes – als „Sacheinlage“ im Wert von 100.000 Schweizer Franken. 2008 verhaftete man den Geschäftsmann in Rio de Janeiro mit zehn Papageieneiern in den Taschen einer speziellen Weste. Er habe die Eier zum Züchten erhalten, verteidigte „R.M.“ seine „Dummheit“.

Zuchtzentrum in Katar

Laut Handelszeitung ist er „in der Papageien-Szene umstritten“. Drei seiner Spix-Aras kaufte Martin Guth, die anderen zwölf erwarb Scheich Saoud Bin Mohammed Ali Al-Thani aus der Königsfamilie von Katar, der ebenfalls ein Zuchtzentrum (das „Al Wabra Wildlife Preservation“) besitzt.

Als Al-Thani „überraschend stirbt“, bekommt Guth von seinen Erben rund 120 Vögel zur Zucht geliehen. „Er hält damit fast alle Exemplare des wertvollsten Vogels der Welt.“ Daraufhin bieten auch „andere Regierungen dem deutschen Wunderzüchter ihre Papageien zur Nachzucht an“, so die Süddeutsche Zeitung 2019. Zuvor hatte der Tagesspiegel über die „engen Beziehungen“ von Guhl zu Abou-Chaker, der ihm u. a. seine „Luxuslimousine“ lieh, berichtet.

Inzwischen hatte sich der „Clan-Boss“ mit seinem Geschäftspartner Bushido überworfen und wurde von diesem beschuldigt, ihn tätlich angegriffen zu haben. Vor Gericht nannte Bushido laut Spiegel die Zusammenarbeit mit seinem Manager Abou-Chaker einen „Pakt mit dem Teufel, freiwillig sei sie nie gewesen“.

Als Spende deklariert

Die Süddeutsche Zeitung wusste, dass Abou-Chaker vom Regisseur Bernd Eichinger 200.000 Euro bekommen hatte, weil man ihn in den Spielfilm über Bushido eingebaut hatte. Dieses Geld wurde laut Bushido „irgendwie als Spende an einen Papageienverein deklariert“.

Guth bestätigte das. In Schöneiche leben inzwischen laut wissenschaft.de 180 Spix-Aras. Guths Vereinsorgan ACTP e. V. auf der Spendenplattform „betterplace.org“ teilte mit: „Zum World Wildlife Day 2020 trafen 52 in Berlin gezüchtete Spix-Aras in Brasilien ein. Mit einem eigens für die Vögel und das sie begleitende Team aus Veterinären, Tierpflegern, Biologen, Mitgliedern der brasilianischen Regierung und Kameraleuten gecharterten Flugzeug. Das Gehege befindet sich auf 45 Hektar im geschützten Caatinga-Gebiet. Dort sollen sie in den nächsten Monaten auf ihre Wiederansiedlung und das weitere Leben in freier Wildbahn vorbereitet werden. 2021 soll die erste Gruppe der Spix-Aras in die Freiheit entlassen werden.“

Anfang dieses Jahres berichtete eine Mitarbeiterin im Vereinsorgan erstens, dass die „Papageienfreunde“ der Spix-Aras-Zucht in Schöneiche auch 2020 eine „phantastische Unterstützung“ gewährten. Und zweitens, dass „wir mit 21 Nachzuchten einen neuen Rekord aufstellten. Besonders bemerkenswert ist, dass diese Jungtiere auch von Paaren stammen, die bisher noch nicht gezüchtet hatten. Dies lässt uns auf eine noch bessere Saison 2021 hoffen.“

Es gibt bereits zwei animierte Familienfilme namens „Rio“ und „Rio 2“, in dem zivilisationsgeschädigte Spix-Aras die Hauptrolle spielen. Letzterer handelt bereits von den In­trigen und Abenteuern nach ihrer Auswilderung. Um sich davon zu erholen, wollen sie ihren Urlaub in Rio verbringen.

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