Bernhard PötterWir retten die Welt: Neues Motto: Sorry, dumm gelaufen!
In der Pandemie haben wir vieles gelernt: Wie schnell wir uns ans Maskentragen gewöhnen, dass aus normalen Nachbarn plötzlich „Covidioten“ werden können und man auch in Jogginghosen am Geschäftstermin teilnehmen kann. Wer außerdem die Welt oder zumindest seine Oma retten will, auf den warten noch weitere Einsichten: Wir sind nicht so immun gegen das Chaos aus der Natur, wie wir in unseren Niedrigenergie-Reihenhäusern gern glauben. Wenn man eine Pandemie oder den Klimawandel bekämpft, muss man schnell und hart zuschlagen: Bei Virenabwehr und Emissionsabbau zählt vor allem die Geschwindigkeit, auch wenn es da in Deutschland plötzlich ein Tempolimit gibt. Und das Wichtigste ist, die Bevölkerung gut zu impformieren.
Seit Mittwoch wissen wir noch mehr: Eine Regierungschefin kann nicht nur Unsinn machen, sondern das auch erkennen, zurücknehmen und dafür die BürgerInnen um Entschuldigung bitten. Angela Merkel hat den Beschluss zur „Osterruhe“ wieder kassiert. Und erklärt: „Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler“. Was wiederum Unsinn ist. Denn saßen da nicht 16 andere EntscheiderInnen mit in der Videoschalte – einem Forum, das wir vor Corona ähnlich skurril fanden wie Maskentragen?
Aber wir wollen nicht meckern. Merkels Bußgang öffnet schließlich ganz neue Wege fürs Regierungshandeln. Es wäre die Zeit für die große Osterunruhe. Dann könnte die Kanzlerin sagen: Dass wir unsere Klimaziele nur mithilfe eines fiesen Virus schaffen, ist schlechtes Regieren. Dass wir die meisten Öko-Versprechen in unserer Nachhaltigkeitsstrategie verfehlen, ist eine Schande. Dass wir mit der Giftspritze Insekten und Vögel von den Feldern verjagen, ist eine Dummheit. Dass wir unsere Kinder mit dem SUV-Panzer statt dem Lastenrad in die Schule fahren, ist verantwortungslos. Dass wir konstant die Warnungen von BeraterInnen, Forschungsinstituten und Sachverständigen an uns abprallen lassen, zeigt unsere Ignoranz.
„Diese Fehler sind nicht einzig und allein meine Fehler“, müsste die Kanzlerin dann noch sagen. Denn schließlich hatte sie seit 15 Jahren WirtschaftsministerInnen, die die Erneuerbaren ausgebremst haben, statt Tempo zu machen. Und eine Reihe von AgrarministerInnen, die Steuergeld lieber für die Vergangenheit als für die Zukunft der Landwirtschaft ausgeben. Und BauministerInnen, die die Sanierung der Gebäude nicht voranbringen. Und einen Verkehrsminister, der am Parlament vorbei 500 Millionen Euro für die fixe Idee der Ausländermaut zum Fenster rauswirft und trotzdem nicht gefeuert wird. „Dafür bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung“, das wäre dann für Merkel wieder der richtige Ansatz.
In der Pandemie „werden wir viel einander verzeihen müssen“, hat Gesundheitsminister Jens Spahn vor einem Jahr gesagt. In der Pandemie – von mir aus. Aber was die Ökobilanz dieser Regierung angeht, hat Volker Bouffier recht, wenn er sagt: „Wir sind jetzt die Deppen.“
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