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Urlaub vom Corona-Alltag

Bildungsurlaub kann gerade zwar nicht immer wie gewohnt stattfinden, scheint aber wichtiger denn je. In 14 der 16 Länder haben Ar­beit­neh­me­nde Anspruch auf diese Zeit

Von Johanna Sethe

Seit Monaten von zu Hause arbeiten und nicht mehr richtig vor die Tür kommen. In der Wohnung und den immer gleichen Themen feststecken – für viele Menschen ist das nach einem Jahr Pandemie Alltag. Ein guter Zeitpunkt für einen Bildungsurlaub? Gibt es den noch?

„Ich stelle immer wieder fest, dass ich Menschen in meinem Umfeld erst mal erklären muss, was Bildungsurlaub überhaupt ist, weil sie die Angebote und ihre Rechte gar nicht richtig kennen“, erzählt Anastasia Brack. Sie ist Studien- und Verwaltungsleiterin an der Gustav-Heinemann-Bildungsstätte in Bad Malente in der Holsteinischen Schweiz. Dort, im Tagungshaus am Kellersee, finden normalerweise rund 80 Seminare im Jahr zur politischen Bildung für Erwachsene statt.

In den norddeutschen Ländern haben Arbeitende, nachdem sie ein Jahr in ihrem Job gearbeitet haben, gesetzlichen Anspruch auf zehn Tage Bildungsurlaub innerhalb von zwei Kalenderjahren. Das heißt: Je­der kann bezahlten Urlaub nehmen, um sich bei Einrichtungen wie der Heinemann-Bildungsstätte zu bilden.

Das Angebot gilt zusätzlich zum regulären Urlaubsanspruch. Während des Bildungsurlaubs zahlt der Betrieb den Lohn weiter, die Kosten für den Kurs sowie Fahrt und Übernachtung übernimmt der Teilnehmende. Voraussetzung ist, dass der Kurs in dem jeweiligen Bundesland als Bildungsurlaub anerkannt ist.

Inhaltlich muss ein Bildungsurlaub nicht zwingend etwas mit dem eigenen Beruf zu tun haben. Ob Spanisch, Fotografie oder auf den Spuren der alten Griechen – das Spektrum reicht von Sprachkursen über fachliche Weiterbildungen bis hin zu Seminaren der politischen Bildung. Die Kurse gelten auch als Chance, verschiedene Menschen zusammenzubringen, vom Hafenarbeiter bis zur Sozialwissenschaftlerin.

Aufgrund von Corona dürfen Bildungsurlaube in Hamburg derzeit auch online durchgeführt werden – zumindest, wenn sich niemand hinter einer schwarzen Zoom-Kachel verstecken kann, sondern alle bei den mindestens sechsstündigen Kursen aktiv mitmachen. Hamburgs Volkshochschule etwa bietet viele Kurse derzeit online an, sei es Gestalten einer Website oder Russisch für Anfänger.

Bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Hamburg fielen im vergangen Jahr gar acht von zehn Reisen aus. Sie hofften, dass sie diesen Spätsommer wieder Urlaube durchführen können, sagt der Referent für politische Bildung, Andreas Merkens. Geplant ist für September zum Beispiel eine Wanderung im slowenisch-österreichischen Grenzgebiet auf den Spuren der Partisanen.

Er habe den Eindruck, dass gerade während Corona bei vielen Menschen Arbeitsabläufe, die selbstverständlich waren, infrage gestellt sind. Das zu reflektieren, löse auch ein verstärktes Bildungsbedürfnis aus, sagt Merkens. „Ich glaube, in solchen Zeiten der Krise ist Bildung zwar leider nach wie vor ein Privileg, das man sich mit Zeit und Geld leisten können muss, aber wichtiger denn je, wenn es darum geht, mitzugestalten.“ Das Alte sei am Sterben, aber das Neue noch nicht fertig.

Nicht zuletzt führe Corona auch zu einem gewissen Escape-Bedürfnis, also dem Wunsch danach, auszubrechen und Abstand zu gewinnen. Bildungsurlaube seien eine Möglichkeit, Urlaub von der Coronasituation zu nehmen, weil sie einen mit neuen Themen konfrontierten und eine Abwechslung zum Alltag seien, so Merkens.

Das sieht auch Anastasia Brack von der Bildungsstätte in Bad Malente so: „Unser Haus ist ja nicht nur ein schöner Ort zum Arbeiten, sondern bietet auch Raum, sich zu erholen.“ Als die Bildungsstätte nach dem ersten Lockdown Mitte Mai 2020 mit einem Hygienekonzept wieder öffnete, war das sehr positiv aufgenommen worden. Dank Spuckschutz, reduzierten Teilnehmerzahlen und Abstandhalten hatte es auch keine Coronafälle gegeben. In Speisesälen etwa, in denen normalerweise 70 Personen Platz hatten, aßen nun lediglich Gruppen von 24 Leuten in mehreren Schichten. Beschwert hatte sich darüber niemand, die Regeln stießen auf Verständnis.

Der Wunsch, die Krise zu verstehen, löst ein Bedürfnis nach Bildung aus

Viele kämen seit Jahren zu den Bildungsurlauben und auch jetzt seien einige Angebote für den Sommer bereits ausgebucht, sagt Brack. Um künftig auch Eltern jüngerer Kinder erreichen zu können, soll es diesen Sommer erstmals auch eine Kinderbetreuung geben. „Wir wollen das Ganze in einer Zeit, in der wir nur kurzfristig entscheiden können, was stattfindet und was nicht, so unbürokratisch wie möglich machen“, sagt Brack. Sich anzumelden sei ganz einfach und zahlen könne man auch erst vor Ort.

Aktuell ist die Bildungsstätte am See seit dem zweiten Lockdown erst mal wieder zu. Auch dort belastet die unsichere Planung. „In den Vorschriften wurden wir als Veranstalter von Bildungsurlaub erst relativ spät namentlich erwähnt“, sagt Brack. Wie alle Bür­ge­r:in­nen hatten sie ihre Informationen aus den Erlassen ziehen müssen, Vorwarnungen gab es nicht.

Dennoch: „Wir sind auf jeden Fall bereit“, sagt Brack. „Wenn morgen gesagt wird, dass wir wieder aufmachen können, dann machen wir übermorgen wieder auf.“

Leicht haben es die Ver­an­stal­te­r:in­nen von Bildungsurlauben gerade nicht. Es lohnt aber trotz Pandemie, ihre Angebote auf den Internetseiten im Blick zu behalten.

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