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Impfungen gegen CoronaDebatte über Impf-Priorisierung

Hunderttausende Impfdosen, vor allem von AstraZeneca, bleiben derzeit in Deutschland ungenutzt. Nun wird die Lockerung der Impfreihenfolge gefordert.

Aufhebung der Priorisierung? Impfung mit dem Wirkstoff von AstraZeneca in Bremen Foto: Hauke-Christian Dittrich/reuters

BERLIN taz | Während sich in Deutschland die dritte Coronawelle anbahnt, liegen in den Impfzentren Hunderttausende Impfdosen unbenutzt herum. Vor allem der Impfstoff des Herstellers AstraZeneca bleibt liegen: Über 1,45 Millionen Dosen hat Deutschland laut einer Übersicht des Robert Koch-Instituts bis vergangenen Freitag erhalten. Nur ungefähr ein Viertel davon wurde bislang verimpft.

Dafür gibt es mehrere Gründe: Erstens wird bisher ein großer Teil aller Impfstoffe für die später notwendigen Zweitimpfungen zurückgehalten. Zweitens verzichten einige impfberechtigte Personen offenbar auf eine Impfung mit AstraZeneca, weil die Wirksamkeit nicht ganz so gut ist wie beim Konkurrenzprodukt von Biontech. Drittens ist AstraZeneca in Deutschland bisher nur für Personen unter 65 Jahren zugelassen. In der Prioritätsgruppe 1, die als erste geimpft werden durfte, befinden sich aber vor allem Ältere. Die Impfungen von Gruppe 2 laufen erst jetzt nach und nach an.

Wie es schneller gehen könnte? Einen weitreichenden Vorschlag machte am Wochenende der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Der Bild am Sonntag sagte der CSU-Chef: „Bevor er [der Impfstoff] liegen bleibt, impfen, wer will.“ Söder schlägt vor, dafür die Impfreihenfolge bundesweit zu lockern. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ebenfalls, die „Priorisierung für AstraZeneca“ zügig aufzuheben.

Zahl der Neuinfektionen steigt weiter

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte dagegen: „Söders Vorschlag ‚Astra für alle‘ ist falsch.“ Er forderte, den Impfstoff stattdessen auch für über 65-Jährige freizugeben. Dass das bisher nicht der Fall ist, liegt an der Empfehlung der Ständigen Impfkommission, derzufolge bislang nicht genügend Daten darüber vorliegen, ob der Impfstoff auch für Ältere geeignet ist. Die Kommission hat allerdings bereits angekündigt, ihre Empfehlung rasch zu ändern.

Lauterbach schlug außerdem vor, angesichts der drohenden dritten Welle bei allen Impfstoffen die Erst­impfungen vorzuschieben und keine Dosen mehr für später zurückzulegen. „Die Erstimpfung verhindert mehr als 80 Prozent der Krankenhauseinweisungen“, sagte er.

Denkbar wäre zudem, die Impfreihenfolge zu lockern, ohne sie, wie von Söder gefordert, gleich ganz aufzuheben. So könnte AstraZeneca zum Beispiel bundesweit schon jetzt für die dritte Prioritätsgruppe freigegeben werden, zu der unter anderem Menschen ab 60 Jahren und Supermarktpersonal gehören.

Während die Debatte läuft, steigt die Zahl der Coronaneuinfektionen weiter. Der 7-Tage-Mittelwert lag mit 7.938 Personen am Sonntag um 10 Prozent höher als vor einer Woche. Der Mittelwert bei den Todesfällen pro Tag sank dagegen um 25 Prozent auf 313. Dieser Rückgang könnte eine Folge der erfolgreichen Impfungen bei den Ältesten sein.

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11 Kommentare

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  • Wenn man bei der Terminvergabe gefragt hätte, ob man mit dem Impfstoff von Astrazeneca einverstanden wäre und falls dies nicht der Fall gewesen wäre, den Termin Anderen von der Warteliste angeboten hätte, dann wäre überhaupt kein Impfstoff liegengeblieben. Widerlich ist, dass durch diese Organisationsversagen jetzt viele Menschen mit Vorerkrankungen, für die das Virus lebensbedrohlich ist, noch länger warten müssen, weil eine Personengruppe (Lehrer etc.) nach der Anderen ihnen jetzt vorgezogen wird.

  • Warum zum Teufel sollte der Impfstoff von Astrazeneca jetzt schon an die Prioritätskategorie 3 verimpft werden? In der Prioritätskategorie 2 gibt es eine große Gruppe von Menschen unter 65, die wegen schwerwiegender Vorerkrankungen dringend eine Impfung brauchen, schon lange warten und die niemand gefragt hat, ob sie vielleicht den vom Pflegepersonal der ersten Kategorie verschmähten Impfstoff wollen. Stattdessen ist es bitter für diesen vulnerablen Personenkreis zu sehen, dass schon jetzt Lehrer, Erzieher und niedergelassene Ärzte entgegen der bisherigen Reihenfolge vorgezogen wurden und an blitzschnell extra eingerichteten Wochenend-Impftagen bevorzugt geimpft werden. Dabei hat ein Lehrer ein geringeres Ansteckungsrisiko als der Durchschnits-Arbeitnehmer, erst Recht verglichen mit Arbeitern in einer Fleischfabrik, Paketboten oder Supermarkt-Kassiererinnen. Aber Lehrer sind halt besonders durchsetzungsfähig, was ihre Interessen angeht. Da sie viel freie Zeit haben, dominieren sie in den Parteien und Parlamenten. In Wahlkampfzeiten müssen die Politiker da viel Rücksicht nehmen.

  • Scheinbar habe ich es immer noch nicht verstanden. Ich bin bisher davon ausgegangen, das eine Impfung vor Erkrankung bzw. zumindest vor einem schweren Verlauf schützt, ob geimpften auch nicht mehr infektiös sind ist nicht hinreichend belegt. Deshalb gilt meiner Ansicht immer noch erst mal alle Menschen mit einem erhöhten Risiko impfen, und hier wäre der erste Schritt die nicht nachvollziehbare Altersbeschränkung bei Astrazeneca aufheben. Noch geht es darum Menschen vor schweren Verläufen und dem sterben zu schützen. Alles Andere ist unsolidarisch. Das 20 Jährige geimpft werden, weil sie Praktikum im Kindergarten absolvieren und alle über 65 noch in der Warteschleife stehen ist ein Skandal ohne gleichen.

  • Vergleichen wir das doch mal mit der Warteschlange in einem Supermarkt (der die noch nicht bedienten Kunden nicht vor der Eingangstür warten lässt, sondern Corona-fördend innen):

    Zunächst sind alle ordentlich eingereiht. Die ersten haben ihre Waren schon auf dem Förderband (mit einem Impftermin vergleichbar). Nun macht eine zweite Kasse auf. Übliche Praxis ist, dass die schnelleren zur anderen Kasse gehen, mit Vorsprung derjeinigen, die in der Schlange schon vorn und damit in Nähe der neuen Kasse waren. Oder die wartenden werden in gleicher Reihenfolge nun mit zwei Kassen bedient.

    Söder schlägt nun vor, dass es gar keine Warteschlange mehr geben soll, sondern dass sich alle direkt an der Kasse drängen, bzw. darum, wer der anderen verschubst und seine Waren auf Förderband legen kann.

    Man kann auch die geordnete Wartschlange an der Wursttheke mit dem Gedränge an der Bar bei einem Konzert vergleichen, wo alle laut schreien, um ihre Bestellungen loszuwerden.

    Das Chaos soll dann wohl auch überegional greifen - wer mit dem Auto weit fahren kann oder sich in die Bahn traut, hat dann bessere Chancen.

    Völliger Blödsinn.

  • Niemand kann erklären, warum zahlreichere Impfdosen eine Lockerung der Impfreihenfolge begründen. Diese würde nur zu Chaos durch Andrang bei den Terminvergaben und ggf. Günstlingswirtschaft bei den Zuteilungen führen.

    Natürlich muss man dann in der Reihenfolge voranschreiten und den nächsten "in der Warteschange" bedienen.

  • Da scheint wohl eine Art generalisierte Freudsche Fehlleistung vorzuliegen: Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass den Betroffenen der Impfgruppe 2 bislang überhaupt kein Impfstoff angeboten wurde. Jedenfalls nicht in Schleswig-Holstein. Da eine Öffnung für alle zu forden, weil das ja rumliege und niemand es haben wolle, ist zumindest schlecht recherchiert. Es gibt in Gruppe 2 genügend Menschen unter 65, die AZ mit Kusshand nehmen würden - und zwar aus medizinischen Gründen und nicht weil sie für den Osterurlaub einen Impfpass bräuchten.

  • Was war eigentlich das Problem mit dem ursprünglichen Plan - erst die Risikopatienten schützen, und dann nach und nach alle anderen?



    Ok, bei der Durchführung ist einiges schief gelaufen.



    Aber das RKI hat vor einigen Tagen noch geschrieben, es gäbe 29 Mio Risikopatienten in Deutschland. Dazu kommen Pflegerinnen, Ärzte, Rettungssänitäter.



    Geimpft sind Stand heute 5 Mio.



    Da sollte man meinen, das man mit einem Minimum an guten Willen und Organisationstalent das Impfprogramm genau wie geplant noch eine ganze Weile laufen lassen kann.



    Aber das ist wohl das Problem: Es hakt mal wieder bei Umsetzung ...

  • Ich habe interessehalber mal bei www.impfterminservice.de in etlichen Impfzentren bundesweit durchgeklickt ob ich als aktuell Impfberechtigter einen Impftermin mit dem Astrazeneca-Impfstoff bekommen würde (Alterseingabe unter 65).



    Ergebnis: in ca. 90% meiner Versuche sind aktuell keine Termine verfügbar.

    Also, man sollte hier mal genauer hinschauen, wo überhaupt das Problem ist, und was dann die Lösung sein kann.

    • @Lesenundschreiben:

      Weder als ich mich und meinen Lebenspartner im hessischen Portal registrieren ließ, noch als ich meine Mutter und ihren Ehemann in Bayern registrieren ließ, gab es irgendeine Aussage darüber, ob bzw. wann es Termine gibt. Es wurde jeweils nur mitgeteilt, dass man informiert werden würde, wenn es für einen einen Termin gäbe. Irgendwelche Wünsche nach einem bestimmten Impfstoff konnte man bei der Online-Registrierung weder in Bayern noch in Hessen zum Ausdruck bringen, was vielleicht auch der Fehler ist. Man hätte schon bei der Online-Registrierung feststellen können, welche Personen nicht mit dem Impfstoff von Astrazeneca geimpft werden möchten. Dann hätte man diese Termine an andere Personen vergeben können, es hätte sich kein ungenutzter Impfstoff angesammelt und wir hätten diese elendige Diskussion nicht.

  • Im Rückgang bei den Todesfällen können sich natürlich Wirkungen der Impfungen zeigen. Vermutlich liegt er aber auch daran, dass die Welle der Todesfälle der der Neuinfektionen um drei bis vier Wochen hinterherhinkt. Und so alt ist die dritte Welle ja nun auch noch nicht.

    In ein bis zwei Wochen könnte das anders aussehen.

    • @Smaragd:

      Schauen Sie sich die Zahlen des RKI genauer an. Mitte bis Ene Januar waren die Ü80-jährigen noch ca. doppelt so häufig infiziert wie der Bevölkerungsdurchschnitt. Jetzt ist es nur noch ein geringer Unterschied. Die Angleichung ist v.a. mit den Impfungen erklärbar (und ein wenig mit verbesserter Hygiene in dem Heimen).

      Der allgemeine Rückgang war ebenfalls eine Halbierung. Also ein vergleichbarer Effekt. Bei den Todeszahlen der Ü80 wird sich ein ähnliches Ergebnis zeigen.

      Je nach Sichtweise könte man natürlich die Impfungen für die Halbierung der Zahlen verantwortlich machen und die allgemeine Reduktion für das nächste Viertel bei den Ü80.



      Oder umgekehrt die allgemeine Reduktion für die Halbierung und die Impfung für ein weiteres Viertel Reduktion. Kann man nicht trennen.

      Die Impfungen der Ü80 und damit weniger Ausbrüche in Heimen dürfen indes wenig Einfluß auf das Infektionsgeschehen im Großteil der übrigen Bevölkerung haben.