berliner szenen
: Fassbier am Frauentag

Es ist der 8. März, also Frauentag, also gönn ich mir mittags einen ausgedehnten Spaziergang durch den Kiez. Kaum was los auf den Straßen Schönebergs, denke ich erst. Wo sind die Frauen, frage ich mich, bis ich an einer Straßenecke zwei Mädchen im Grundschulalter auf einer Bank sitzen sehe. An ihren Beinen lehnt ein großes Schild aus Pappe – Jackpot. Ich laufe zu ihnen, auf ihrem Demoschild steht: „Alle für einskommafünf.“ Yes, die nächste Greta-Generation wächst hier gerade heran. Streiken fürs Klima. Und das am Frauentag.

Ich nicke den Mädchen stolz zu, während ich mich ihnen nähere. Doch die, die nicken nicht zurück, sondern blicken nur gelangweilt drein – nanu? Ich spreche sie an: „Streikt ihr?“ „Nö“, antworten sie unisono. „Wollt ihr demonstrieren? Fürs Klima?“ „Nö“, sagen sie. „Was wollt ihr denn?“, frage ich und denke dabei an diese Kaubonbonwerbung. Erst sagen sie gar nichts. Dann sagt das ältere Mädchen, schulterzuckend: „Meine Mutter.“ Ich schaue sie verständnislos an, bis sie mich aufklärt, dass ihre Mutter demonstrieren möchte. Sie würden nur auf sie warten. „Ach so“, entgegne ich enttäuscht. Das war’s dann wohl mit der neuen Greta-Generation. Zumindest hier und jetzt in Schöneberg.

Ich drehe mich um, halte Ausschau nach ihrer Mutter, sehe aber nur einen Mann, der mich angrinst. Ich grinse nicht zurück, sondern laufe lieber weiter. Zehn Minuten später minimiert sich meine Enttäuschung dann doch noch, als ich sehe, dass am Gottlob an der Apostel-Paulus-Kirche genau das angeboten wird, wonach ich mich seit November, seit Beginn des zweiten Lockdowns, unfassbar sehne: Fassbier! Ich bestelle mir direkt eins, bekomme es in einer Art Einmachglas mit Drehverschluss überreicht und kann’s kaum glauben: Fassbier am Frauentag. Unfassbar.

Eva Müller-Foell