Journalismus in Belarus: Zu Unrecht

In Minsk stehen die Jour­na­lis­tin­nen Katarina Andrejewa und Darja Tschulzowa vor Gericht – weil sie ihren Beruf ausübten.

Katarina Andrejewa und Darja Tschulzowa umarmen sich

Katarina Andrejewa und Darja Tschulzowa in einem Käfig für Angeklagte während der Verhandlung Foto: reuters

Seit Dienstag stehen die Journalistinnen Katarina Andrejewa, 27 Jahre, und Darja Tschulzowa, 23 Jahre, in Minsk vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, aktiv an Protesten teilgenommen und „Gruppenaktivitäten, die die öffentliche Ordnung grob verletzen“, geleitet zu haben. Andrejewa und Tschulzowa drohen bis zu drei Jahre Haft. Dabei hatten sie bloß von Protesten berichtet.

Seit dem 15. November sind die beiden in Untersuchungshaft. An diesem Tag filmten sie für Belsat, der erste und bis heute einzige unab­hängige TV-Sender in Belarus, aus einem Wohnhaus heraus eine Kundgebung zum Gedenken an den getöteten Roman Bondarenko.

Der 31-jährige war im November auf dem Platz des Wandels in Minsk von staatlichen Schlägern verschleppt und zu Tode geprügelt worden. Machthaber Alexander Lukaschenko behauptete, Bondarenko sei betrunken gewesen und in eine Prügelei geraten. Die Journalistin Katerina Borisewitsch, die das mit ihrer Recherche widerlegte, wurde später festgenommen.

Am 15. November hatten Teil­neh­me­r:in­nen spontan ein Denkmal für Bondarenko errichtet. Die Kundgebung war von Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst worden. Das Denkmal wurde zerstört, zahlreiche Menschen inhaftiert. Da Andrejewa und Tschulzowa darüber berichteten, stehen nun auch sie vor Gericht. Wie Belsat berichtet, wurde unabhängigen Jour­na­lis­t:in­nen beim Prozessauftakt der Zugang zum Gerichtssaal verwehrt. Bis Redaktionsschluss lag noch kein Urteil vor.

Staatliche Willkür

Aus Deutschland gibt es Kritik an dem Prozess: In einem offenen Brief fordert der Deutsche Journalistenverband die unverzügliche Freilassung der Journalistinnen. „Gegen sie, die nichts anderes gemacht haben, als ihren Beruf auszuüben, darf es keine Gerichtsverhandlung geben“, heißt es. Auch Ulrike Gruska von Reporter ohne Grenzen verurteilt den Prozess. Dieser sei „eine Farce“, sagte sie der taz. „Andrejewa und Tschulzowa haben die Demonstration, um die es geht, aus dem 14. Stock eines Wohnhauses gefilmt und übertragen – und werden nun beschuldigt, den Protest vorbereitet und an ihm teilgenommen zu haben. Das ist absurd.“

Seit Beginn der Proteste in Belarus am 9. August wurden laut dem Belarussischen Journalistenverband (BAJ) bis Ende 2020 insgesamt 477 Jour­na­lis­t:in­nen verhaftet, 97 verbüßen Haftstrafen, 9 sitzen in Untersuchungshaft. Zahlreiche Jour­na­lis­t:in­nen wurden Opfer von Gewalt und staatlicher Willkür. Insgesamt verbrachten im vergangenen Jahr Jour­na­lis­t:in­nen in Belarus über 1.200 Tage hinter Gittern. Zudem gab es Razzien in Redaktionen, laut BAJ wurde im vergangenen Jahr der Zugang zu über 50 Nachrichtenseiten begrenzt. Vier Zeitungen mussten ihre Veröffentlichungen einstellen.

Am Abend vor der Verhandlung gegen Andrejewa und Tschulzowa waren zwei weitere Belsat-Journalist:innen verhaftet worden: Ljubow Lunjowa und Kameramann Dzmitri Soltan. Sie befinden sich derzeit im Untersuchungsgefängnis in der Okrestina-Straße in Minsk. Das Haftzentrum ist seit Beginn der Proteste in Belarus zum Schauplatz staatlicher Gewalt und Brutalität geworden. Berichte von Folter und Vergewaltigungen hatte die Medienplattform Mediazona im Oktober öffentlich gemacht.

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Mehr Geschichten über das Leben in Belarus: In der Kolumne „Notizen aus Belarus“ berichten Janka Belarus und Olga Deksnis über stürmische Zeiten – auf Deutsch und auf Russisch.

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