piwik no script img

heute in hamburg„Corona ist oft das kleinere Problem“

Vortrag: Bastian Rolf berichtet über seine Erlebnisse auf der Rettungsmission der Sea-Eye, 19 Uhr, Zugangsdaten nach Anmeldung per Mail an gruppe.hamburg@sea-eye.de

Interview Nele Aulbert

taz: Herr Rolf, raubt Corona humanitären Katastrophen, wie der auf dem Mittelmeer, die Aufmerksamkeit?

Bastian Rolf: Ja. Man liest immer weniger darüber. Nur wenn spektakuläre Rettungsaktionen oder Tragödien, wie der Brand in Moria, passieren, berichten die Medien. Aber die tagtäglichen Geschehnisse gehen unter. Ich glaube, das ist gerade bei vielen sozialen und umweltpolitischen Themen ähnlich.

Wie beeinflusst die Pandemie Seenotrettungen von Geflüchteten konkret?

Sie sind viel aufwendiger. Die Crew der Rettungsschiffe trägt zum Infektionsschutz oft Vollkörperanzüge und Helme mit Plexiglas. Das ist gerade im mediterranen Sommer neben der allgemeinen psychischen Belastung eine zusätzliche körperliche Belastung. Aber wir dürfen uns keine Fehler erlauben. Wir möchten nicht noch eine größere Angriffsfläche für die Politik bieten, indem zum Beispiel Bilder von der Rettungsaktion kursieren, auf denen ein Crew-Mitglied versehentlich keine Maske trägt. Solche Versehen geben den Regierungen die Möglichkeit, unsere Schiffe festzusetzen. Ich kenne die Konzepte der anderen NGOs nicht, aber alle tun ihr Bestes.

Wie funktionieren die Hygienekonzepte unter den Geflüchteten an Bord?

privat

Bastian Rolf, 31, war im April 2020 als Dritter Maschinist auf einer Mission der Alan Kurdi, einem Rettungsschiff von Sea-Eye.

Die Geretteten werden an Bord des Rettungsschiffes Gäste genannt, aus Respekt. Wenn 360 Gäste auf einem 50 Meter langen Schiff sind, kann man die Abstandsregeln schwer einhalten. Hier wird dann versucht, situationsgerecht zu agieren, mit täglichen Temperaturmessungen und ständiger medizinischer Überwachung. Am Ende geht es darum, dass die Menschen nicht im Meer ertrinken, da ist Corona oft das kleinere Problem.

Wie wirkt sich die Pandemie auf Ihre lokale Arbeit in Hamburg aus?

Wir können uns natürlich gerade nicht in persona sehen, alles findet über Zoom statt. Wir machen kleine Aktionen, wie Kreidesprüche auf die Straße zu malen oder Spendenaktionen zu Weihnachten. Aber mehr als das und aktive Social-Media-Arbeit ist momentan nicht drin. Das Wichtigste für uns sind weiterhin Spendeneinnahmen, zum Beispiel für den Bau unseres neuen Schiffes. Es gab schon einen starken Spendenrückgang, viele Leute sind in Kurzarbeit, manche haben ihren Job verloren. Es ist auch verständlich, dass gerade viele mit ihrer privaten Situation beschäftigt sind, sie haben nicht die Zeit oder die Kraft, aktiv politischen Druck zu machen. Trotzdem ist die Anzahl der Interessierten an dem Vortrag zum Beispiel sehr hoch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen