Tücken des Golfregelwerkes: Wie er liegt, steckt oder hängt

Golfregeln sind mitunter richtig gemein. Das führt dazu, dass auch Hobbyspieler zu Fachjuristen werden.

Golfspieler mit den Füßen im matschigen Nordseeschlick versucht Ball zu treffen

Kein Erbarmen: Jeder Versuch zählt. Ganz egal, wo der Ball ist Foto: HochZwei/Angerer/imago

Außenstehende meinen oft, Golf sei ja ganz einfach. Man schlägt so lange einen Golfball, bis er im Loch liegt. Schläge zählen, aufschreiben, fertig. Aber was da unterwegs alles passieren kann! Beim Fußball ist es ja auch nicht so, dass die einen aufs Tor schießen, und wenn der Ball drin ist, steht es 1:0. Was da alles passieren kann (Gegnergebein, Foul, Abseits, Hand, VAR). Beim Golf drohen ständig rotwürdige Regelfouls.

Golfregeln sind hochgradig penibel. Es gibt 24 ausführliche Paragrafen und die zahllosen Entscheidungen des höchsten Golfgerichts im schottischen St. Andrews, kleingedruckt Hunderte Seiten. Die Regeln sind stets um Fairness („spirit of the game“) und Gleichheit bemüht – und manchmal richtig gemein.

Ein Tourprofi hob mal seinen Ball auf dem Grün auf (hier erlaubt) und warf ihn zur Reinigung (üblich) seinem Caddie zu. Der schnappte daneben und, schwupps, kullerte die Kugel ins Wasser. Na, da nimmt man halt einen anderen Ball. Von wegen. Regel 1 sagt: „Golf spielen ist, einen Ball mit einem Schläger durch einen Schlag oder auf­ein­ander folgende Schläge … vom Abschlag in das Loch zu spielen.“ Einen Ball. Das schließt Wechsel aus. Also musste der Caddie ins Wasser, tauchen, suchen. Erfolglos. Also doch ein neuer Ball. Das würde allerdings zur Folge haben: zwei Strafschläge. Der Turniersieg ist futsch.

Oder: Ein Ball hängt auf Kniehöhe vorne in einem dichten Gebüsch. Die Grundregel lautet: „Spielen, wie er liegt“ (hier: hängt). Oder eben herausholen und daneben mit Strafschlag weiterspielen. Der Spieler klemmt drei Schläger aneinander als Wuchtwaffe mit Durchschlagskraft. Alle drei Schläger sind regelkonform. Darf er? Nein. Aber warum? Siehe oben: „… einen Ball mit einem Schläger … zu spielen“.

Vorsicht vor Kinderspielschlägern!

Man muss wissen, was erlaubt und geboten ist, wenn der Ball im See versinkt. Wenn er nur möglicherweise im See versunken sein müsste (ein großer Unterschied). Was, wenn er winters im tiefen Matsch steckt: Spielen, wie er steckt? Was, wenn ich eine alte Übungskugel, offensichtlich zurückgelassen herumliegend, einfach wegschlage? Tja: Strafschlag! „Unerlaubtes Üben während der Runde“.

Was aber passiert, wenn ich versehentlich am Ball vorbeischlage? Kein Schlag, oder? Doch: Der Versuch zählt.

14 Schläger darf man mitnehmen. Sind es 15, ob man sie alle nutzt oder nicht, droht im Turnier Disqualifikation. Ein Profi war einmal mit seiner Tasche, seinem kleinem Sohn und dessen putzigem Plastikschlägerchen unterwegs. Es war bestimmt lustig, der Vater mächtig stolz auf seinen schwingenden Knirps – aber dann hatte er tags drauf beim Turnier vergessen, das Plastikding aus der Seitentasche zu nehmen. Ist der Bestimmung nach ein Golfschläger. Also waren es 15: Disqualifikation.

Richtig gemein ist es, wenn der Ball genau auf der Lochkante liegenbleibt. Er guckt schon absturzfreudig nach unten, aber er bleibt oben, der Sauhund. Man könnte herumspringen, die Erschütterung nutzen … Nicht erlaubt, weil gegen den spirit of the game. Nun ist es stürmisch. Wie lange darf man warten, ob nicht doch … Zehn Sekunden sagt die Regel. Aber ab wann? Wenn der Spieler am Ball ist. Also wird man ewiglich dahin trödeln wollen. Aber wie schnell muss man gehen? „Angemessen“, sagt die Regel. Bei Unangemessenheit: Strafschlag. Hätte man ihn auch gleich selbst reinstubsen können.

Golfers ABC der Vorurteile, heute Q – wie Qual: „Golfer brüsten sich doch mit Sprüchen wie: Das Schöne am Golf ist, dass man es nie lernt. Und dann diese absurden Regeln. Alles Masochisten!“ Leidensfähigkeit kann durchaus hilfreich sein, gepaart mit einem überbordenden Maß an Gelassenheit. Alle Qual findet aber ein abruptes Ende, wenn plötzlich ein Schlag nahe der Perfektion gelingt. Wow! Ob der perfekte Schlag möglich ist, ist umstritten. Tendenz: Nein. Selbst wer aus 200 Metern ins Loch trifft, hat immer auch den Zufall als Verbündeten.

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Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

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