Urteil zu Sterbehilfemedikament: Andere Optionen möglich

Das Medikament Natrium-Pentobarbital darf vorerst nicht zur Selbsttötung erworben werden. So urteilte das Bundesverfassungsgericht am Freitag.

Ein Wasserglas, ein Teelöffel und ein Arzneifläschchen

Das tödlich wirkende Mittel Natrium-Pentobarbital Foto: Sepp Spiegl/imago

KARLSRUHE taz | Das Bundesverfassungsgericht hat die Klage eines suizidwilligen Ehepaars auf Zugang zu einem Suizid-Medikament als unzulässig abgelehnt. Das Ehepaar solle sich einen Arzt oder eine andere hilfswillige Person suchen. Die Hilfe beim Suizid sei inzwischen nicht mehr strafbar, so die RichterInnen.

Das Ehepaar ist seit 1968 verheiratet, hat drei Kinder und mehrere Enkelkinder. Die Frau ist inzwischen 76 Jahre alt, der Mann 83. Seit 2013 sind sie entschlossen, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden. Ihr Leben solle zu einem Zeitpunkt enden, in dem sie noch handlungsfähig sind und es ihnen noch so gut gehe, dass sie von einem rundherum gelungenen Leben sprechen könnten. Sie sähen keinen Sinn darin, den eigenen Verfall mitzuerleben.

Das Paar versuchte deshalb eine Genehmigung für den Kauf des Medikaments Natrium-Pentobarbital zu bekommen, einem in der Schweiz gebräuchlichen schmerzlosen Suizid-Medikament. Doch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) lehnte ab. Das Betäubungsmittelgesetz erlaube den Erwerb solcher Medikamente nur zu therapeutischen Zwecken, nicht zur Selbsttötung.

Das Ehepaar klagte gegen die Ablehnung durch die Instanzen, bis zum Bundesverwaltungsgericht. Doch auch das Leipziger Gericht lehnte 2019 ab. Anspruch auf Natriumpentobarbital bestehe nur in einer extremen Notlage, bei schwer und unheilbar Kranken.

Dagegen erhob das Paar Verfassungsbeschwerde, über die nun eine mit drei RichterInnen besetzte Kammer des Bundesverfassungsgerichts entschied. Doch auch hier hatten die sterbewilligen Rentner keinen Erfolg. Die Beschwerde sei inzwischen „unzulässig geworden“.

Gericht nimmt Rücksicht auf Gesetzgeber

Die Karlsruher RichterInnen verwiesen auf ihr eigenes Urteil aus dem Februar 2020. Damals ging es um das strafrechtliche Verbot der „geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ (Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs). In einer spektakulären Entscheidung erklärte das Gericht diesen Paragraf für verfassungswidrig und nichtig, weil er das „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ verletzte. Dazu gehöre auch das Recht, sich von anderen helfen zu lassen.

In dieser neuen rechtlichen Lage sei es den alten Leuten „zuzumuten“, ihre Bemühungen um einen selbstbestimmten Tod „wiederaufzunehmen“, entschied nun die Karlsruher Kammer. Sie könnten sich „durch aktive Suche nach suizidhilfebereiten Personen“ oder „auf anderem geeignetem Weg“ selbst helfen und bräuchten das Bundesverfassungsgericht nicht.

Dabei sollten sie auch über ihr Bundesland Hessen hinaus suchen. Es gebe durchaus einen „Kreis medizinisch kundiger Personen“, der zu entsprechenden Verschreibungen und anderen Unterstützungshandlungen bereit sei. Nach dem Urteil vom Februar seien diese Personen auch rechtlich dazu befugt.

Das Ehepaar könne bei dieser Gelegenheit testen, „ob nunmehr ausreichende praktische und zumutbare Möglichkeiten bestehen, einen Suizidwunsch zu realisieren“. Dies wäre auch für das Verfassungsgericht interessant, so die RichterInnen, falls es am Ende doch noch über diesen oder einen anderen Fall entscheiden muss.

Schließlich wollen die RichterInnen auch Rücksicht auf den Gesetzgeber nehmen, der jetzt die Möglichkeit habe, ein umfassendes Schutzkonzept für assistierte Selbsttötungen zu erarbeiten. Zufälligerweise hatten die Grünen und eine interfraktionelle Gruppe in den letzten Tagen erste Gesetzentwürfe hierzu veröffentlicht.

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