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Die Telefone laufen heiß

Wie Galeristen der Pandemie trotzen, erzählt Kristian Jarmuschek. Als Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Galerien hat er einen guten Überblick. Im Aufbau ist eine Ausstellung mit Leipziger Künstlerinnen

Von Tom Mustroph

Die Galerieszene trifft der aktuelle Lockdown hart. Konnten Galerien, im neuen Pandemiesprech als Einzelhandel eingestuft, im November noch für abgezählte Be­su­che­r*in­nen die Türen offen halten, so führt die generelle Click-&-Collect-Erlaubnis in dieser speziellen Branche aber nicht zu einem Aufatmen. „Es funktioniert ja nicht so, dass ein Sammler mal zur Tür kommt, von außen in den Raum schaut und sagt: ‚Das dunkle Bild, das da oben hängt, packen Sie mir mal das mal bitte ein‘“, erzählt Kristian Jarmuschek der taz.

Bei ihm ist noch die Ausstellung der Leipziger Fotokünstlerin Carina Linge aufgebaut. Weil sich die Galerie Jarmuschek + Partner aber tief drinnen in den Mercator-Höfen in der Potsdamer Straße befindet und nicht einmal ebenerdig zugänglich ist, fällt ein Linsen durch die Schaufenster flach. Und erst recht eine spontane Kaufentscheidung.

Jarmuschek macht dennoch einen vergleichsweise gelassenen Eindruck. „Galeristen sind krisenerprobt“, sagt er. Zuversichtlich stimmt ihn, dass 2020 die Einbußen durch die Pandemie weniger schlimm als befürchtet ausfielen. Als Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Galerien und Kunsthändler hat er auch einen guten Überblick. „Bei unseren Umfragen im Sommer, also nach dem ersten Lockdown, lagen die Einbußen bei 80 Prozent des Vorjahresumsatzes. Bei der jüngsten Umfrage im Winter lagen sie meist zwischen 30 und 40“, erzählt er. Verantwortlich dafür seien die überraschend guten Monate September und November. Im September war noch richtiger Ausstellungsbetrieb möglich, die Berlin Art Week lockte Besucher. „Die Leute hatten Hunger nach Kunst. Man konnte sehen, wie manche wie vom Blitz getroffen waren, weil sie einem Kunstwerk direkt im Raum begegnen konnten“, erinnert sich Jarmuschek. Im November mussten zwar die großen Ausstellungshäuser schließen, kommerzielle Galerien galten aber als Einzelhandel.

Parallel setzen viele auf digitale Tools. So bieten Jarmuschek + Partner auf der Website einen 360-Grad-Rundgang durch die aktuelle Ausstellung an. Er wurde mit der Technologie der bereits 2011 gegründeten Firma Matterport gebaut. „Wir arbeiten mit ARTatBerlin zusammen. Sie bauen ihren 3-D-Scanner in der Galerie für etwa eine Stunde auf, und in kürzester Zeit können wir dann das fertige 360°-Video verwenden“, erzählt Jarmuschek. Auch für die von ihm ins Leben gerufene Messe Positions gab es 3-D-Rundgänge.

Die Interaktion mit dem Raum fehlt

Er selbst war ebenfalls auf digitalen Messen wie der Luxembourg Art Week. Immerhin drei Verkäufe an neue Kontakte kamen so zustande. Mit dem normalen Messegeschäft, bei dem Interessenten den Werken direkt begegnen und durch interessierte Blicke anderer Besucher noch zusätzlich bei ihren Kaufentscheidungen stimuliert werden, sind diese digitalen Momente aber nicht vergleichbar.

Wie auch generell der digitale Kunstgenuss ein reduzierter ist. „Kunst lebt davon, dass man sie im Raum erlebt“, meint Jarmuschek. Er hofft, dass spätestens ab März die Türen wieder aufgehen können. „Wir bauen im Februar die neue Ausstellung der beiden Leipziger Künstlerinnen Corinne von Lebusa und Inga Kerber auf. Sie war eigentlich für letzten März geplant. Die Künstlerinnen haben das Konzept noch einmal geändert, wollen stärker mit installativen Elementen arbeiten und die Begegnung mit der Kunst zu einem noch stärkeren Erlebnis machen“, sagt er.

Als Pandemievariante bereitet Jarmuschek neben dem 360-Grad-Rundgang eine digitale Eröffnung über IGTV, dem Videokanal von Instagram, vor. „Wir hoffen aber, dass zum Ende hin immer mehr Menschen in die Galerie dürfen“, blickt er in die Zukunft. Er rechnet auch mit einem Anlaufen des herkömmlichen Messegeschäfts: „Gerade telefonieren wir viel wegen der diversen Verschiebungen. Die ART Basel ist vom Juni auf den September verschoben worden. Deshalb müssen wir jetzt gucken, dass wir die Positions und die Art Week Berlin auf eine Woche vorher verlegen können, um Überschneidungen zu vermeiden.“

Als Leidtragende der Pandemie sieht er vor allem jüngere Künstler*innen: „Digital findet man vor allem diejenigen, die bereits einen Namen haben. Besonders schlimm wird es für die Absolventen der Kunsthochschulen. Die Rundgänge des Abschlussjahrgangs 2020 sind komplett ausgefallen. Gerade bei ihnen braucht man aber die direkte Konfrontation mit den Arbeiten.“

Seine Ga­le­ris­ten­kol­le­g*in­nen müssen derzeit noch mit einem anderen Problem kämpfen. „Gerade laufen die Telefone in der Geschäftsstelle des Verbandes heiß, weil Galerien keine November- und Dezemberhilfen erhalten. Sie waren bis kurz vor Weihnachten nicht vom scharfen Lockdown betroffen, erlitten durch den Wegfall der internationalen Kunstmessen im Herbst aber schwere Einbrüche“, erzählt er.

Jarmuschek begrüßt, dass die neue, nachgebesserte Überbrückungshilfe III zumindest eine Teilerstattung von Fixkosten ermöglicht. „Für manche ist das aber leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt er. Mit einer Schließungswelle unter den Galerien rechnet er vorerst aber nicht wegen der Krisenerprobtheit der Kol­le­g*in­nen, der Hoffnung auf den Frühling und noch mehr auf den Herbst.

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