Alle Familien haben so ihre ganz eigenen Geschichten

Im Dreiteiler „Lebenswege“ des NDR wird von drei Generationen sehr unterschiedlicher Familien erzählt, die in Norddeutschland ihren Lebensmittelpunkt haben

Statt Bauern auf ihrer Scholle zeigt die zweite Episode Emanzipationsgeschichten von neun Frauen

Von Wilfried Hippen

Ausgerechnet mit Beton fördert der Bauer Heiko Strüven den Tierschutz. Es wirkt schon etwas seltsam, wenn er und seine Familie dafür norddeutsches Weideland auf ihrem Milchhof versiegeln. Aber nur auf einem Zementboden kann er seine Milchkühe auch im Winter frei laufen lassen, denn der moorige Boden ist dann zu matschig und die ständige Feuchtigkeit ist nicht gut für die Hufe der Rinder.

Für den Umbau gibt es allerdings keine kuhfreundliche, sondern wirtschaftliche Gründe. Die etwas sanfter produzierte Milch kann er zu einem höheren Preis verkaufen. Und auf seinem Hof muss ganz genau gerechnet werden, denn seine Söhne wollen beide auch dann dort weiter arbeiten, wenn er in den Ruhestand geht. Und deshalb müssen alle sich etwas einfallen lassen. Seine Frau organisiert etwa pädagogische Hofbesuche für Schulkinder. Und sein Vater Klaus hat sich, nachdem er vor über 20 Jahren den Hof weitergegeben hatte, als Betreiber von Windrädern selbstständig gemacht. „Was sich nicht entwickelt, stirbt!“, sagt er zu dieser gelungenen Modernisierung des Familienbetriebs.

„Wer ist auf dem Hof der Boss?“ ist der Titel der ersten Folge des Dreiteilers “Lebenswege“, den der NDR an den kommenden Wochen jeweils am Mittwoch um 21 Uhr sendet. Neben den Strüvens wird dort auch die Familie von Riegen porträtiert, die Äpfel im Alten Land anbaut und ebenfalls mit drei Generationen auf dem Hof lebt. Dieser erste Teil, solide von dem NDR-Reporter Henning Rütten inszeniert, entspricht der Vorliebe für ländliche Themen der Pro­gramm­ma­che­r*in­nen des NDR-Fernsehens.

In der zweiten Episode„Drei Generationen, drei Familien, neun Frauen“ erzählen die Filmemacherinnen Juliane Möcklinghoff und Maren Höfle Emanzipationsgeschichten von Großmüttern, Müttern und Töchtern.

Alle neun Frauen sind erfolgreich in Beruf und Studium, und die Traumata, die die Älteren bewältigen mussten, scheinen die Jüngeren nur um so stärker zu machen. So besucht die 70-jährige Irmgard Nichniewitz zum ersten Mal wieder das Kinderheim in Waldenau und sucht nach der Antwort darauf, warum ihre Eltern sie dort abgegeben haben.

Die 89-jährige Margrid Wieduwilt hat ihr Leben lang schwer an ihren Erinnerungen an die Bombennacht von Lübeck zu tragen, und Sibylle Schmeichel fühlt sich durch die Enge des DDR-Staats um ihre Jugend betrogen. Doch ihr damals enteignetes Elternhaus hat sie sich zurück erkämpft und auch sonst feiern die Filmemacherinnen hier vor allem die Erfolge der neun Frauen.,

In „Drei Generationen Almanya“ stellt Yasemin Ergin schließlich zwei Familien vor, bei denen die Eltern aus der Türkei nach Deutschland eingewandert waren. Die Tochter von ­Selim und Müzeyyen Alkan, die in den 1970er-Jahren aus Südostanatolien als „Gastarbeiter“ nach Kiel kamen, wurde Landeschefin der SPD in Schleswig-Holstein und Tufan Kiroglu, der 1971 als Studierender nach Neumünster kam, ist heute Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Neumünster.

Niemand scheitert in diesen drei 45 Minuten langen Reportagen. Schwierigkeiten und Ungerechtigkeiten in der Vergangenheit sind dazu da, überwunden zu werden. Allen geht es gut. Die während der Coronakrise produzierte Serie will Mut machen und inspirieren. Die Zu­schaue­r*in­nen brauchen Trost, und in diesem Sinne ist die Pandemie, auch wenn sie kaum erwähnt und schon gar nicht thematisiert wird, immer präsent.

Läuft am: 24. 2., 3. und 10. 3., 21 Uhr, NDR