Einfamilienhäuser sorgen für Aufregung

Konservative und Liberale wettern mal wieder gegen die angebliche Verbotspartei Bündnis 90/Die Grünen. Das Problem ist nur: Jene will Einfamilienhäuser gar nicht verbieten

Einfamilienhäuser in Erfurt Foto: Martin Schutt/dpa

Von Ulrich Schulte

Ein Interview von Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat für Aufregung bei Union, FDP und AfD gesorgt. „Okay, wir haben verstanden: Dieser familien­feindliche Vorschlag ist nun auch im Herzen der Bundes-Grünen angekommen“, schrieb CDU-Generalsekretär mit Blick auf das Gespräch auf Twitter. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel hatte das Interview mit der Überschrift „Wollen die Grünen Einfamilienhäuser verbieten, Herr Hofreiter?“ über den Kurznachrichtendienst verbreitet.

FDP-Generalsekretär Volker Wissing sagte zu Hofreiters Äußerungen: „Was mehr grüne Politik für unser Land heißt: Mehr Verbote, mehr Gebote, weniger Freiheit.“ Auch der stellvertretende Generalsekretär der CSU, Florian Hahn, äußerte scharfe Kritik. „Nachdem sie es in Hamburg bereits durchgeboxt haben, wollen die Grünen nun auch bundesweit Einfamilienhäuser verbieten.“ Sie könnten es einfach nicht sein lassen, den Menschen vorzuschreiben, wie sie zu leben hätten. AfD-Fraktionsvize Beatrix von Storch unterstellte den Grünen „Enteignungsphantasien“. Auch die Bild-Zeitung veröffentlichte einen Text mit der Überschrift: „Grüne wollen neue Einfamilien-Häuser verbieten“.

Das Problem war nur: Die Grünen wollen Einfamilienhäuser gar nicht verbieten, schon gar nicht enteignen. Die Vorwürfe von Mitte-rechts bis ganz Rechtsaußen kamen ohne Beleg daher. Hintergrund: In Hamburg-Nord hatte ein grüner Bezirksamtsleiter keine neuen Einfamilienhäuser im Bebauungsplan mehr ausgewiesen. Er begründete das mit knappen Flächen und damit, BürgerInnen bezahlbare Geschosswohnungen anbieten zu wollen. Hofreiter verteidigte im Spiegel die Entscheidungshoheit der Kommunen: „Dass Kommunen entscheiden, was bei ihnen sinnvoll ist, ist jahrzehntelange Praxis in unserem Land und verantwortungsvolle Politik.“

Gleichzeitig betonte er aber: „Natürlich wollen die Grünen nicht die eigenen vier Wände verbieten.“ Jene könnten sehr verschieden aussehen: Einfamilienhaus, Reihenhaus, Mehrfamilienhaus, Mietshaus. „Wo was steht, entscheidet allerdings nicht der Einzelne, sondern die Kommune vor Ort.“ Außerdem verteidigte er Möglichkeiten von Kommunen zu enteignen. „Ich finde es richtig, dass die Gemeinde im Notfall auch enteignen darf, wenn Besitzverhältnisse unklar sind oder sich Erbengemeinschaften streiten und deshalb ein Dorfkern verödet oder Wohnraum nicht geschaffen werden kann.“

Ein Grüner wollte im Bebauungsplan keine Einfamilien­häuser mehr ausweisen

Der Spiegel hatte das Interview zunächst mit einem irreführenden Teaser veröffentlicht – dies aber später korrigiert. Auch die Grünen-Fraktion veröffentlichte eine Klarstellung: „Die Behauptung, Grüne wollten Einfamilienhäuser verbieten, ist falsch.“ In der Tat findet sich im Grünen-Programm nirgendwo ein Einfamilienhaus-Verbot. Große Sympathien hegt die Partei für diese Wohnform allerdings auch nicht. Auf einem Parteitag im Jahr 2019 haben die Grünen ihre Wohnungspolitik aktualisiert.

Für ein Einfamilienhaus seien etwa 200 Tonnen Kies und Sand nötig, heißt es in einem Beschluss. Solche Häuser verbrauchten „besonders viele Ressourcen, da im Vergleich zum Mehrfamilienhaus der Außenhautanteil sehr groß ist, zudem verschleißen sie extrem viel Bauland und Infrastruktur.“ Immer neue Einfamilien­hausgebiete auf der grünen Wiese trieben den Flächenverbrauch an und führten vieler­orts zu leerfallenden Orts­kernen.

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