Berlin zunehmend biberisiert: Sie passen sehr gut in diese Stadt

Biber sehen freakig aus und leben spießig. Und es werden immer mehr in der Stadt. Vor allem in Friedrichshain-Kreuzberg. Doch wo ist das Problem?

Ein Biber knabbert die Rinde von Weidenästen ab

Dieser Biber hat einen guten Appetit Foto: picture alliance / dpa | Patrick Pleul

BERLIN taz | Die Biberisierung Berlins schreitet unaufhaltsam voran. Selbst im dicht besiedelten Friedrichshain-Kreuzberg machen sich die Riesennager – immerhin die größten Nagetiere der Holarktis, wie sich der Zoologe freut – zunehmend breit. Fünf Baue zählen die Stadtnatur-Ranger*innen des Bezirks inzwischen, ein Biberpaar hat sich in der Rummelsburger Bucht auf der Liebesinsel niedergelassen, wo sie wohl den ganzen Tag herumbibern, was das Zeug hält. Nachts ziehen sie dann um die Häuser und nieten reihenweise Uferbäume um. Putzig!

Und warum sollte dieses Ratten-Upgrade auch nicht in Berlins Szene- und Multikulti-Bezirk Nummer eins passen? Zwischen all den Bohemians, Ökos, Islamerern, Schwaben und Agenturgestalten fallen die über einen Meter lang werdenden, dicht bepelzten Kreaturen auch nicht weiter auf. Freakig aussehen, aber mit ihrem unerschöpflichen Arbeitseifer und ihrer streng monogamen Lebensweise ganz schön spießig leben – auch das passt hervorragend in den Zeitgeist des Bezirks.

Allerdings bewahren Biber sich stets ein anarchisches Moment. Sie belassen es nicht dabei, hin und wieder bei einem Glas Chianti Classico und laut aufgedrehten Scherben auf dem Sofa rebellisch die Faust in die Höhe zu recken, sie bauen noch richtige Barrikaden.

Wenn ihnen ihr Wohnumfeld nicht passt, machen sie kurzen Prozess mit der Uferbepflanzung wie der Landschaftsplanung und legen bei Bedarf ganze Gewässersysteme um. Im Tiergarten fielen schon Kanäle trocken, weil die Biber mit kleinen Umgestaltungen dafür gesorgt haben, dass es bei Dürre um ihre Burgen schön feucht bleibt.

Strenge Schutzmaßnahmen

Dabei ist das Biber-Comeback eine kleine Öko-Sensation. Die Art war in Europa praktisch ausgerottet, in Deutschland fast gänzlich verschwunden. Erst durch strenge Schutzmaßnahmen gelang die Wiederansiedlung. Mit beachtlichem Erfolg: In Berlin und Brandenburg sind alle nutzbaren Lebensräume inzwischen wieder ausreichend bebibert.

Der Biber lebt ressourcenintensiv – schon wird die Bejagung gefordert

Was zu wütender Biberkritik führt. Land­wir­t*in­nen beklagen Mais-Klau und überflutete Felder, Förs­te­r*in­nen und Land­schafts­pla­ne­r*in­nen ärgern sich über gefällte Bäume. Denn der Biber lebt ressourcenintensiv: Ganze 4.000 Kilogramm Holz werden pro Jahr und Biber zerlegt und zerraspelt, wo immer er sich niederlässt. Schon wird die Bejagung der Tiere gefordert.

Dabei ist sein Wirken wertvoll: Der Biber schert sich nicht lange um Planfeststellungsverfahren, er sorgt ratzfatz für Gewässer-Renaturierung – und damit für verbesserten Hochwasserschutz. Viele andere Arten profitieren von seinen Maßnahmen. In der Stadt kann man sein ausuferndes Wirken mit Schutzzäunen und Estrichmatten effektiv steuern.

Was noch fehlt, sind ordentliche Pop-up-Biberwege durch die City. Kein Scherz: Um die Populationen zwischen Spree und Havel zu verbinden, müssten die Nager die Berliner Kanäle nutzen – noch aber mangelt es an ausreichend Ausstiegshilfen und Biberschleusen. Denn zwischendurch legen die Biber sich gerne wie alle anderen Berliner zum Chillen ans Ufer. Wie gesagt: Eigentlich passen sie wirklich sehr gut in die Stadt.

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