Abtreibungen sind ab jetzt legal

Das Verbot in Argentinien wird durch ein Senatsvotum gekippt. Das Wort „historisch“ macht die Runde

Erfolgreiche Kampagne: Jubel in Buenos Aires nach der Abstimmung im Senat Flor Guzzetti/reuters Foto: Foto:

Aus Buenos Aires Jürgen Vogt

Argentiniens Senat stimmt für die Liberalisierung des Abtreibungsrechts. 38 Senator*innen votierten am frühen Mittwochmorgen mit Ja, 29 mit Nein – bei einer Enthaltung. Bei der Abstimmung gingen Pro und Contra quer durch die Parteien. Das Abgeordnetenhaus hatte bereits vor gut zwei Wochen zugestimmt. Damit ist das 100-jährige Abtreibungsverbot gefallen. „Historisch“ war denn auch das Wort der Stunde.

„Ya es ley – Es ist Gesetz“, jubelten die Befürworter*innen vor dem Kongressgebäude, erkennbar an den grünen Halstüchern, dem Symbol der Kampagne für das Recht auf eine legale, sichere und kostenlose Abtreibung. Dagegen herrschte unter den mit hellblauen Halstüchern bestückten Gegner*innen Entsetzen. Bei hochsommerlichen Temperaturen über der 30-Grad-Marke hatten Grüne und Hellblaue auf den sechs Großbildschirmen die Debatte verfolgt, getrennt durch einen abgesperrten Korridor.

Künftig ist ein legaler, sicherer und kostenloser Schwangerschaftsabbruch bis einschließlich der 14. Woche erlaubt. Danach ist ein Abbruch nach einer Vergewaltigung erlaubt oder wenn das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren in Gefahr ist. Das alte Gesetz von 1921 ließ einen Abbruch nur zu, wenn die Schwangerschaft auf eine Vergewaltigung zurückzuführen oder das Leben der Mutter in Gefahr war.

Noch wenige Stunden vor der Abstimmung versuchte Papst Franziskus in die Debatte einzugreifen. „Der Sohn Gottes wurde als Ausgeschlossener geboren, um uns zu sagen, dass jeder ausgeschlossene Mensch ein Kind Gottes ist“, twitterte er aus Rom.

Tage zuvor hatte er provokant gefragt, ob es „fair sei, ein Leben zu eliminieren, um ein Problem zu lösen“ und dafür „einen Killer anzuheuern“? Für das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche ist das Abstimmungsergebnis eine schwere Niederlage.

Für Präsident Alberto Fernández ist es ein Erfolg. Er selbst hatte den Reformvorschlag im Kongress eingebracht und damit ein Wahlversprechen eingelöst. „Ich möchte, dass Frauen, die eine Abtreibung wünschen, dies unter gesetzlich festgelegten Bedingungen tun und ihre Gesundheit dabei garantiert ist“, sagte Fernández noch kurz vor der Senatsentscheidung.

Schätzungsweise gibt es in Argentinien jährlich 300.000 bis 500.000 heimliche Abtreibungen. „Die Abtreibung ist ein Problem der öffentlichen Gesundheit“, so die Position des Präsidenten. Seit der Rückkehr zur Demokratie 1983 seien mehr als 3.000 Frauen an den Folgen einer klandestinen Abtreibung gestorben, viele seien durch eine schlecht durchgeführte Abtreibung gesundheitlich geschädigt, erklärte Fernández. „Es gibt ein heuchlerisches Argentinien, das die Abtreibung leugnet, wie es zuvor die Homosexualität geleugnet hat“, sagte er.

Auch wenn die Regierung den Triumph für sich verbuchen wird, gebührt der Erfolg zweifellos dem langen Atem der Kampagne für das Recht auf eine legale, sichere und kostenlose Abtreibung. 17 Jahre nach ihrer Gründung und mit dem Rückhalt von über 350 Gruppen und Organisationen haben es die Aktivist*innen geschafft, das Abtreibungsgesetz zu kippen.

Das grüne Halstuch ist zum Symbol für das Recht auf eine selbstbestimmte Abtreibung in Lateinamerika geworden. Der Triumph der Kampagne ist daher auch für den gesamten Kontinent von Bedeutung. „Das hilft uns, die Debatte über eine Entkriminalisierung wieder auf die Tagesordnung zu setzen“, erklärte Lissett Alas von der Bürger*innengruppe zur Entkriminalisierung der Abtreibung in El Salvador.