Weltweit beginnen die Impfkampagnen: Großes Ringen um die Spritze

Die Zahl der zugelassenen Covid-19-Impfstoffe wächst. In immer mehr Ländern starten die Impfkampagnen.

Eine Frau bekommt eine Spritze in den Oberarm

Israel ist am weitesten mit der Corona-Impfkampagne Foto: reuters

BERLIN taz | Zum Jahreswechsel hat die Impfstoffversorgung weltweit noch mal deutlich an Fahrt aufgenommen. Nachdem Großbritannien, die USA, die EU und eine Reihe weiterer Staaten bereits im Dezember den Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer zugelassen haben, gab auch die Weltgesundheitsorganisation WHO grünes Licht. Am Silvestertag erhielt das Präparat des Mainzer Unternehmens eine Notfallzulassung.

Zur Eindämmung der weltweit grassierenden Covid-19-Pandemie ist dies ein bedeutender Schritt. Nicht nur können UN-Organisationen den Impfstoff des deutsch-amerikanischen Gemeinschaftsprojekts einkaufen und verteilen. Auch Länder, die keine eigenen Kapazitäten für umfassende wissenschaftliche Prüfungen haben, können aufgrund der Vorarbeit der WHO eine Zulassung in ihrem Land erteilen. Der Biontech/Pfizer-Impfstoff erfülle alle Sicherheits- und Wirksamkeitsanforderungen, teilte die WHO in einer Erklärung mit. „Der Nutzen eines Einsatzes, um mit der Covid-19-Pandemie fertigzuwerden, wiegt mögliche Risiken auf.“ Das Problem: Vor allem die großen und wohlhabenden Länder haben sich fast alle Kontingente für 2021 von Biontech/Pfizer gesichert, die mit ihren Impfstoffen mit 95 Prozent eine sehr hohe Wirksamkeit vorweisen. Dabei hat die WHO auf eine gerechte Verteilung des Impfstoffs in allen Ländern der Welt gedrängt.

Große Hoffnung setzen die zu kurz gekommenen Länder nun auf den Impfstoff des britisch-schwedischen Konzerns Astrazeneca und der Universität Oxford. In Argentinien erteilte die Arzneimittelbehörde Anmat am Neujahrstag eine Notfallregistrierung für den Verkauf des Mittels gegen Rezept. Und auch Indien hat ihn für die Notfallnutzung zugelassen. Das Präparat von Astrazeneca weist zwar keine ganz so hohe Wirksamkeit auf wie der von Biontech, lässt sich aber sehr viel günstiger herstellen und transportieren. Der Impfstoff von Biontech/Pfizer muss bislang bei minus 70 Grad gelagert werden, da er sich in normalen Kühlschränken nur fünf Tage hält.

Die EU hat sich zwar ebenfalls große Kontingente des Biontech-Impfstoffs gesichert. Die Engpässe dürften allerdings angesichts der hohen Nachfrage in den kommenden Monaten anhalten. Insgesamt sehe es hinsichtlich der verfügbaren Impfstoffe gegen Covid-19 „nicht rosig“ aus, „weil weitere zugelassene Impfstoffe fehlen und wir mit unserem Impfstoff diese Lücke füllen müssen“, sagte Biontech-Chef Ugur Sahin dem Spiegel. Die zögerliche Bestellpolitik der EU verwundere ihn. „Offenbar herrschte der Eindruck: Wir kriegen genug, es wird alles nicht so schlimm, und wir haben das unter Kontrolle.“

„Deutschland wird ausreichend Impfstoff bekommen“

Sahin erwartet, dass er bis Ende Januar Klarheit über die weiteren Produktionsmengen hat. „Wir versuchen, neue Kooperationspartner zu gewinnen, die für uns produzieren. Aber es ist ja nicht so, als stünden überall in der Welt spezialisierte Fabriken ungenutzt herum, die von heute auf morgen Impfstoff in der nötigen Qualität herstellen könnten“, sagte der 55-Jährige. Zugleich betonte Sahin: „Deutschland wird ausreichend Impfstoff bekommen.“

Kritik an der Impfstoffpolitik muss sich derweil Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vom Koalitionspartner anhören. „Wir haben in Deutschland auch durch die staatliche Unterstützung einen Impfstoff gegen das Virus entwickelt.“ Es sei nicht akzeptabel, dass dieser Impfstoff nach dem Impfbeginn nicht mal in der angekündigten Menge zur Verfügung steht“, kritisierte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer der SPD, Carsten Schneider.

Spahn: Keine nationalen Alleingänge

Zuletzt hatte es geheißen, in der kommenden Woche könnten keine weiteren Lieferungen der Impfdosen an die Bundesländer geben. Die nächste Charge kommt nun aber doch am 8. Januar. Schneider fordert dennoch einen Gipfel mit allen in Deutschland produzierenden pharmazeutischen Unternehme, um zu prüfen, „welche Produktionsstätten bestehen und kurzfristig nutzbar gemacht werden können“.

Auf Kritik, dass der Impfstoff eines Mainzer Unternehmens in anderen Ländern schneller zugelassen wurde als in Deutschland, hatte Spahn schon am Mittwoch reagiert. Gebe es das gemeinsame Vorgehen der EU nicht, würden kleine Staaten womöglich auch 2021 nicht mit dem Impfen beginnen können. Spahn verwies, dass genauso ein Mittel aus einem anderen Land das Rennen hätte machen können. Dann wäre in Deutschland die Dankbarkeit groß gewesen, dass es keine nationalen Alleingänge gab.

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