Piks!

Am Sonntag wurden die ersten Berliner:innen gegen das Coronavirus geimpft. Doch noch ist Impfstoff Mangelware

Auf dem Weg in die Geschichtsbücher: Die 101-jährige Gertrud Haase wird in Berlin als Erste geimpft Foto: Kay Nietfeld/Pool/dpa

Von Nicole Opitz, Plutonia Plarre
und Uwe Rada

Im eisigen Wind stehen Menschen vor der Arena Schlange. Konzerte finden in dem roten Backsteinbau an der Spree in Treptow in Zeiten von Corona schon lange nicht mehr statt: Die Arena ist zum Impfzentrum umfunktioniert. Die Menschen, die hier am Sonntag auf Einlass warten, sind Beschäftigte von Pflegeeinrichtungen. Sie wollen sich gegen Covid-19 impfen lassen.

Ein paar Meter weiter spricht Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), umringt von Presseleuten, in die Mikrofone. Begriffe wie „Ein großer Tag für Berlin“ und „Ein Tag der Hoffnung“ fallen. Kalayci meint den Impfbeginn. Drei, vier Fragen sind erlaubt. Die meisten davon beantwortet die Senatorin mit Allgemeinplätzen. Auch wann in der Stadt eine Herdenimmunität eingetreten sein könnte, lässt sie offen.

Insgesamt sechs Impfzentren gibt es in Berlin. Mit 80 Kabinen ist die Arena das größte davon. Die anderen Zentren sind noch nicht geöffnet. „Sobald genügend Impfstoff eingetroffen ist, geht es los“, sagte Regina Kneiding, Sprecherin der Berliner Impfzentren, am Sonntag zur taz. Es gebe strenge Vorgaben von der Impfkommission, wer sich wann, wie und wo impfen lassen könne. „Der Ablauf ist genau geregelt, alle werden angeschrieben.“

Unter Federführung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) werden die Impfzentren vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) und anderen Hilfsorganisationen betreut. Untergebracht sind sie auch in der Messe Berlin in Charlottenburg, im Velodrom in Pankow, in den einstigen Flughafengebäuden von Tegel und Tempelhof sowie im Erika-Heß-Eisstadion in Mitte.

Die Impfungen in Berlin hatten am Sonntagmorgen begonnen. Ausgeführt wurden sie von einem mobilen Team. Als Erste wurde die 101-jährige Pflegeheimbewohnerin Gertrud Haase geimpft. „Ich habe den Piks gar nicht gemerkt. Ganz toll“, sagte sie nach der Impfung. Deutschlandweit werden zuerst die Bewohner:innen von Pflegeheimen geimpft, da sie als besonders gefährdete Gruppe gelten. In den Impfzentren sollen währenddessen die Mitarbeitenden von Pflegeheimen geimpft werden. Pro Tag sollen 3.000 Berliner:innen die erste Dosis gespritzt bekommen, die zweite folgt im Januar. Dazu sind in Berlin 60 mobile Impfteams unterwegs. Die mobilen Teams werden von der Bundeswehr unterstützt und haben ihre Einsatzzentrale am Flughafen Tegel.

Zuerst werden berlinweit Bewohner von Pflegeheimen geimpft werden. Sie gelten als besonders gefährdete Gruppe. 60 mobile Impfteams sollen im Einsatz sein und die Pflegeheime anfahren. Pro Team und Tag sind 50 Impfungen geplant. Die Gesundheitssenatorin rechnet damit, dass die Impfungen für Bewohner in den Pflegeheimen bis Anfang Februar dauern werden. Verabreicht werden müssen jeweils zwei Dosen. Rund 29.000 Menschen leben in den Pflegeheimen. Als nächste Impfgruppe sind Menschen im Alter von mehr als 80 Jahren dran, die nicht in Heimen leben. Das sind etwa 200.000. (dpa)

Im Januar werden auch über 80-Jährige geimpft, die nicht in einem Heim wohnen. Sie bekommen die Einladung eines Impfzentrums und können damit einen Termin vereinbaren.

Bislang erhielt Berlin 9.750 Impfdosen. Der weitere Impfstoff wird laut Gesundheitsverwaltung nach und nach geliefert. Insgesamt rechnet der Senat mit 59.000 Dosen noch im Dezember. Anfang des kommenden Jahres sollen pro Woche 29.750 Dosen geliefert werden. Aus Sicherheitsgründen werden diese an einem geheimen Ort gelagert. Der Verfassungsschutz sprach Anfang Dezember von einem neuen Extremismus von Impfgegner:innen; Straftaten auch an Impfzentren seien nicht auszuschließen.

Auch in Brandenburg wurde am Sonntag mit den Impfungen gegen Covid-19 begonnen: In einem Pflegeheim im Landkreis Oberspreewald-Lausitz wurden die ersten Patienten geimpft. Der von Corona besonders betroffene Landkreis gehört mit einer 7-Tages-Inzidenz von 461,7 (Stand Sonntag) zu den Corona-Hotspots in Brandenburg.

Wie Berlin erhielt Brandenburg zunächst 9.750 Impfdosen. Laut Innenministerium werden bis kommenden Donnerstag weitere 30.000 Dosen erwartet. Neben Oberspreewald-Lausitz soll zunächst in Heimen im Havelland und in Cottbus geimpft werden. Die ersten stationären Impfzentren öffnen am 5. Januar in Potsdam und Cottbus. Bis Anfang Februar sollen neun weitere Impfzentren öffnen.

„Alle werden angeschrieben.“

Regina Kneiding, Sprecherin Impfzentren

„Die Lage ist sehr, sehr besorgniserregend“, hatte Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) bereits vor Weihnachten erklärt. „Deshalb ist der lang ersehnte Impfstoff weit mehr als nur ein Hoffnungsschimmer. Impfungen bereiten den Weg heraus aus dieser schlimmen Pandemie.“

Zur Terminvergabe soll vom 4. Januar an unter der Nummer 116 117 eine Hotline freigeschaltet werden, wie die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg berichtet. Dort können zunächst über 80-Jährige einen Termin bekommen. In den Zentren sollen sechs Impfteams jeweils bis zu zehn Bürger pro Stunde impfen. Dafür haben sich mehr als 1.000 Ärzte freiwillig gemeldet. Der weitere Ablauf der Impfungen hängt vor allem von der Verfügbarkeit des Impfstoffs ab.

Neben dem Eingang zur Treptower Arena steht Albrecht Broemme und beobachtet aus der Ferne den Presserummel. Der ehemalige Chef der Berliner Feuerwehr hat sowohl den Aufbau der Coronaklinik auf dem Messegelände als auch den der Impfzentren in Rekordzeit koordiniert. Auch an diesem Sonntag erweist er sich als Mensch klarer Ansagen: Eine Herdenimminutät in Berlin sei vermutlich nicht vor dem Herbst erreicht, betont Broemme auf Nachfrage.