Schaufensterausstellungen in Berlin: Trägerstoff des Restlichen

Kunst umsonst und draußen: Der Kunstverein Neukölln zeigt mit „#bisaufweiteres“ Ausstellungen im Fenster zur Straße. Neu dabei ist Birgit Hölmer.

Klebestreifen zu einer fliegenden Formation auf einer Glasscheibe angeordent (Kunstwerk von Birgit Hölmer)

Können überall auftauchen: Birgit Hölmers „cuts“. Hier: „Cut Temporare Schillingstraße“, 2016 Foto: Birgit Hölmer

Für die neue Reihe #bisaufweiteres im Kunstverein Neukölln bespielen Künstler*innen in Solo-Schaufensterausstellungen den Raum in der Mainzer Straße mit raumgreifenden Installationen. Diese sind so arrangiert, dass sie durch die Schaufenster zur Straße zu sehen sind oder diese sogar direkt mit einbeziehen. Frisch eröffnet hat gerade „#bisaufweiteres 2: Cut Temporare Mainzer 42“ von Birgit Hölmer.

In Hölmers Arbeit verwandeln sich die Scheiben von Guckfenstern zu Trägern. Hölmer arbeitet für ihre „cuts“ mit Klebestreifenresten aus einer Druckerei, wie sie beim Zuschneiden von Aufklebern entstehen. Vernachlässigtes Restliches also, das sonst vom Tisch gefegt wird. Dass sich auf den dünnen, langen Streifen aber starke Farben tummeln und Spuren grafischer Muster abzeichnen, fängt Hölmer mit ihrem Blick auf und kleidet das Material in neuer Erscheinung, indem sie die gesammelten Streifen aus dem Stegreif zu unterschiedlichen Formationen komponiert.

Wo die OP art Komplementärkontraste nutzte, um optisches Flimmern und 3-D-Effekte zu erzeugen, ist es bei Hölmer das oft unsichtbare Glas, das es ihren Arrangements ermöglicht, als Zylinderumriss oder in a-geometrischen Anordnungen vor dem Auge zu schweben. Das kann beim Vorbeigehen auch schon mal den Eindruck zerkratzter Scheiben erwecken oder solcher, die ernsthafte Sprünge haben. Anziehend ist es allemal. Und lässig.

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Kunstverein Neukölln, Mi.–So. 14–20 Uhr von Außen einsehbar, endet am 20. 12. um 20 Uhr, Mainzer Str. 42

Traditionell versieht Hölmer die Fenster leer stehender Ladenlokale in der Stadt mit ihren „cuts“, spontan und ohne Vorwarnung. Man kann ihnen also zufällig begegnen oder sie später auf birgithoelmer.blogspot.com nachvollziehen. In diesem Archiv urbaner Interventionen finden sich „cuts“ aus der Bornholmer Straße, der Leipziger Straße und der Hermannstraße oder solche, die 2017 am Alexanderturm auf den Scheiben auftauchten.

Für die von Rebekka Liebmann konzipierte Ausstellung im Kunstverein hingegen hat Hölmer ganz bewusst den Ruf angenommen, das Glas der Vereinsräume planvoll in Bewegung zu versetzen. Glücklicherweise folgt sie manchmal solchen Einladungen. Gerade jetzt, wo wir suchend und fragend durch die Straßen irren, hilft es zu wissen, an welche Außenfenster wir den Blick heften können.

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