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„Die Positionen stehen sich diametral gegenüber“

Längst geht es beim Koalitionskrach nicht mehr um die Erhöhung der Rundfunkgebühren: „Es geht um eine Abstimmung über die Regierung“, sagt Cornelia Lüddemann, Sachsen-Anhalts Grünen-Fraktionsvorsitzende

Interview Stefan Reinecke

taz: Frau Lüddemann, am Freitag hat Ministerpräsident Haseloff den CDU-Innenminister Holger Stahlknecht entlassen. War das nötig?

Cornelia Lüddemann: Das war unvermeidlich. Der CDU-Landesvorsitzende Stahlknecht hat auf offener Bühne den Königsmord angekündigt und danach eine von der AfD-gestützte CDU-Minderheitsregierung in Kauf nehmen wollen. Haseloff war mutig genug, darauf sofort zu antworten.

Stahlknecht ist auch als CDU-Chef zurückgetreten. Ist der Machtkampf in der CDU damit gegen den rechten Parteiflügel entschieden?

Stahlknecht war das Sprachrohr einer Gruppe in der CDU, die die Kenia-Koalition vom ersten Tag an sabotiert hat, man kann fast sagen: eine AfD-Gruppe in der CDU. Das begann damit, dass meine Person im ersten Wahlgang nicht in die Parlamentarische Kontrollkommission gewählt wurde. Es ging weiter mit koalitionsbrüchigem Verhalten der CDU-Fraktion bei dem grünen Landesdatenschutzbeauftragten und der Enquete-Kommission Linksextremismus, bei der die CDU mit der AfD votierte. Diese Gruppe will kein Bündnis der Mitte und kein Bollwerk gegen rechts. Man sollte Stahlknechts Erklärung aber genau lesen. Er ist ja noch nicht zurückgetreten, sondern hat angekündigt, dies am Dienstag zu tun. Er wird also noch als CDU-Vorsitzender an den entscheidenden Sitzungen vor dem Medienausschuss am Mittwoch teilnehmen. Also abwarten.

Wie einflussreich ist diese Gruppe?

Das wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Es geht schon lange nicht mehr um den Rundfunkbeitrag. Es geht um den Richtungskampf der CDU. Den CDU-Rechten ist es offenkundig egal, dass wir eine Pandemie bekämpfen müssen und dass die anderen Bundesländer den Staatsvertrag wollen. Die CDU muss ihren internen Streit endlich klären.

Paul Ziemiak, Generalsekretär der CDU, wirft den Grünen in Magdeburg vor, „eine nüchterne Sachfrage zur moralisch aufgeladenen Grundsatzfrage zu erheben“.

Das ist einer von vielen Versuchen, vom Kern abzulenken – dass die CDU zerrissen ist.

Im Kenia-Koalitionsvertrag steht, man wolle am „Ziel der Beitragsstabilität“ bei den Rundfunkgebühren festhalten. Das deutet für die CDU: keine Erhöhung. Verständlich, oder?

Da missversteht die CDU den Koalitionsvertrag. Beitragsstabilität bedeutet, dass Tariferhöhungen und Inflation eingepreist werden. So handhaben wir es auch bei Straßenbau oder Leistungsgesetzen. Die CDU hätte später, nach dem Koalitionsvertrag 2016, gerne den derzeitigen Rundfunkbeitrag von 17,50 Euro festgeschrieben. Aber das steht eben nicht im Koalitionsvertrag. Die Formel „Beitragsstabilität“ findet sich nicht nur in Sachsen-Anhalt im Koalitionsvertrag, sondern auch in NRW und den Koalitionsverträgen von drei weiteren Landesregierungen. Diese Länder haben dem Staatsvertrag allesamt zugestimmt. Die CDU in diesen Ländern deutet Beitragsstabilität so wie wir Grüne es in Sachsen-Anhalt tun. Nur die CDU in Sachsen-Anhalt sperrt sich. Wir Grüne stehen zum Koalitionsvertrag. Die CDU tut das nicht.

Haseloff hat Anfang letzter Woche vorgeschlagen, die Abstimmung über den Vertrag ausfallen zu lassen. Damit würde es kein Nein von CDU und AfD im Landtag geben, aber auch keine Erhöhung der Rundfunkgebühren. Ist das für die Grünen ein brauchbarer Kompromiss?

Wir sind bei den Gesprächen darüber nicht weitergekommen. SPD und Grüne wollen den Staatsvertrag, die CDU-Fraktion will das nicht. Die Positionen stehen sich diametral gegenüber. Mein Hoffnung, zu einer Lösung zu kommen, ist nach dem, was wir in den letzten Tagen erlebt haben, nicht mehr groß.

Also kommt es im Landtag Mitte Dezember zu dieser Abstimmung?

Wir Grüne wollen mittlerweile diese Abstimmung. Wir brauchen jetzt Klarheit. Es geht längst nicht mehr um die 86 Cent Erhöhung. Es geht um eine Abstimmung über diese Regierung. Die Bürger haben ein Recht zu erfahren, wie jeder einzelne Parlamentarier entscheidet.

Also eine Abstimmung ohne Fraktionszwang?

Ja. Das würde den Gemäßigten in der CDU-Fraktion die Möglichkeit eröffnen, für den Staatsvertrag zu stimmen.

Die gesamte CDU-Fraktion hat sich aber in ihrem Nein festgefräst. Ist die Kenia-Koalition zu Ende, wenn die Grünen jetzt die Abstimmungen Mitte Dezember wollen?

Das kann ich noch nicht sagen. Wir reden weiter und warten ab, in welche Richtung die CDU geht.

Können die Grünen in der Regierung bleiben, wenn CDU und AfD gemeinsam mit Nein stimmen?

Nein, natürlich nicht. Das Wesen einer Regierung ist es, gemeinsame Mehrheiten im Parlament zu haben. Wenn die Kenia-Koalition in einer zentralen Sachfrage keine Mehrheit darstellen kann, ist die Regierung aus meiner Sicht gescheitert.

Danach kommen Neuwahlen?

Wenn eine Regierung gescheitert ist, muss der Souverän entscheiden. Aber diese Entscheidung liegt beim Ministerpräsidenten.

Cornelia Lüddemann

Jahrgang 1968, aus Dessau, ist seit 2016 Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt.

Sind Neuwahlen für die Grünen nicht auch riskant? Sie sind ja an der Eskalation beteiligt, die am Ende dazu führt, dass wegen 86 Cent pro Monat mitten in der Pandemie neu gewählt werden muss?

Dass wir an der Eskalation beteiligt waren, weise ich von mir. Wir waren von Beginn an stringent. Die CDU hat am 18. November die Verhandlungen abgebrochen, als ihr Fraktionschef ungefragt auf der Landespressekonferenz mitgeteilt hat, dass die CDU Nein zum Staatsvertrag sagt und davon keinen Millimeter abweichen wird. Die Ansage war und ist: SPD und Grüne dürfen sich diesem Nein annähern. So kann man kein Land regieren. Es ist offensichtlich, wer diesen Konflikt eskaliert hat.

Neuwahlen schrecken die Grünen also gar nicht ab?

Wir haben klare Ziele. Wir haben als Einzige unsere Listen für die regulären Landtagswahlen im Juni schon verabschiedet. Unser Programm steht. Wir haben keine Scheu vor dem Wählervotum. Aber Ruhe wäre für dieses Land auch gut.

Die oppositionelle Linksfraktion ist auf ein Ja zum Staatsvertrag umgeschwenkt. Wie beurteilen Sie das?

Das war richtig. Es passt auch zur generellen Haltung der Linkspartei, die die unabhängige Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen unterstützt. Jetzt hat sie verstanden, dass dazu eine ausreichende Finanzierung gehört. Das ist begrüßenswert.

Ist in Sachsen-Anhalt Rot-Rot-Grün politisch möglich?

Jetzt ist nicht die Zeit für Farbenspiele. Wir beschäftigen uns jetzt mit dieser Regierung. Und dann damit, im nächsten Landtag eine starke grüne Fraktion zu haben.

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