piwik no script img

Mon Dieu, und er ist kein Japaner!

Im Glas, statt in Folie, mit Kräutern aus der Region, statt aus Übersee, und mit Geschmack, statt fad: Die Welt und den Tofu will Victor Thomas in seiner Bremer Manufaktur verbessern

Von Marie Gogoll

Victor Thomas muss grinsen. „Wenn die Bremer etwas an ihrem Wetter ändern und mehr Bäume pflanzen könnten, das wäre schön“, sagt er. Er steht in seiner Küche in Bremen Hemelingen, und ganz so, als hätte sich die Stadt seinen Wunsch schon zu Herzen genommen, scheint die Sonne durch die großen Fenster.

Abgesehen von der Wetter-Unbill und mangelndem Waldbestand lebt der 28-Jährige gern in der Hansestadt. Die politische Stimmung sei relativ links, außerdem seien die Deutschen gegen Atomkraft und weniger nationalistisch als die Menschen in Frankreich, seiner Heimat. Ein weiterer Vorzug: „Man kann hier gut vegan essen.“

Victor Thomas ist bestimmt nicht der Erste, dem das an Bremen gut gefällt. Für ihn hat es aber eine besondere Bedeutung. Mit seiner Tofu-Manufaktur trägt er nämlich selbst einen Teil zur veganen Esskultur in Bremen bei. Seit knapp einem Jahr produziert er Tofu unter dem Label „Victors Tofu“.

Mit weißen Fließen und blank geputzten Geräten aus Edelstahl strahlt sein Hemelinger Arbeitsplatz in klassischem Großküchen-Charme. Dort produziert Thomas verschiedene Tofu-Variationen. Gebraten oder kalt, mit Petersilie oder Schnittlauch.

Die Sojabohnen, Hauptzutat des Produkts, bekommt er von einem Biohof aus Süddeutschland. Alle Zutaten, die es in der Region gibt, wie Kräuter, mit denen der Tofu seinen Geschmack erhält, kauft er von Biohöfen im Bremer Umland. Bei der Tofu-Herstellung geht es Thomas nämlich auch um Umweltschutz.

Anders als der Tofu aus dem Supermarkt ist seiner nicht in Plastik verpackt, sondern im Glas erhältlich. So wie Marmelade.
 Als Thomas vor fünf Jahren aus dem Elsass nach Bremen gezogen ist, war der gelernte Ingenieur in der Windkraft tätig. Damit wollte er etwas Gutes für die Umwelt tun, sein Traumberuf war das aber nicht. Er habe sich viel mehr immer für die „am wenigsten schlechte Lösung“ entschieden, meint der leidenschaftliche Radfahrer. Scheinbar ein ziemlich pragmatischer Typ. Mit dem Bürojob als Ingenieur war er jedoch schon bald unzufrieden und hatte Lust auf mehr Handwerk und den Kontakt mit Menschen bei der Arbeit. „Ich wollte also etwas anderes machen, was gut für den Planeten ist“, sagt der junge Elsässer, „und jetzt mache ich Tofu.“

Thomas wünscht sich eine andere Kultur in der Lebensmittelindustrie. Kleine Landwirte würden zu wenig unterstützt, und die Lobby für tierische Produkte und Massentierhaltung sei größer als die für regionale, pflanzliche Produkte. Das zeige sich auch in Debatten um die Bezeichnung „Milch“ oder „Joghurt“ für pflanzliche Produkte. „Natürlich könnte man Sojamilch auch als Saft bezeichnen. Aber es würde doch dann keiner verstehen, was es ist“, meint Thomas. „Wenn es weiß ist und man damit einen Kuchen backen kann, dann sollte es halt Milch heißen.“

Victor Thomas führt seinen kleinen Betrieb selbstständig. Vom Einkauf über die Zubereitung, den Vertrieb und die Etiketten auf der Gläsern macht der Wahlbremer alles selbst. Und allein. Er sei nicht so der Typ für Teamarbeit, sagt Thomas. Wer alles allein macht, muss aber auch alles selbst beherrschen. Thomas gefällt das: „Es ist schön, immer etwas Neues zu lernen und sich nicht nur auf eine Sache zu spezialisieren.“ Das Kochen hat er von seiner Familie gelernt. Dort wurde schon immer gern und viel mit Lebensmitteln gearbeitet, gerade auch mit Gemüse, erzählt der gebürtige Franzose. Was er dort nicht gelernt hat, weiß er aus Büchern und von Youtube. Natürlich bleibt nur wenig Zeit für andere Dinge, wenn man alles selbst macht. Ob ihm kein Ausgleich fehle, Sport zum Beispiel? „Die Bohnen in den Topf schütten, sie beim Waschen umrühren, den Tofu aus dem Topf kippen – dafür braucht man Kraft“, entgegnet Thomas. „Die Arbeit ist mein Work-out.“ Denkt man dann noch ans Ein- und Ausladen der Ware bei der Lieferung, wird klar, dass man bei der Tofu­herstellung tatsächlich ziemlich ins Schwitzen kommen kann. Das Schwierigste an der Tofu­produktion ist aber: Wenn der Prozess einmal gestartet ist, ist keine Pause mehr möglich. Die Bohnen müssen zunächst lange einweichen. Dabei ist Vorsicht geboten: Weichen sie zu kurz ein, sind sie noch hart, zu lang und sie sind zu matschig. Ist der richtige Punkt erreicht, muss es also sofort weitergehen. „Man muss schon aufmerksam sein“, sagt Thomas, „und wenn irgendein Schritt schief geht, dann ist alles kaputt.“

Die Arbeit bereitet ihm Freude. „Kochen macht mir Spaß“, sagt Thomas, „ich probiere auch in meiner Freizeit gerne neue Gerichte aus.“ Wenn er dabei in Gedanken schon an neuen Tofu-Kreationen feilt, ist das ja eigentlich auch Arbeit. Ist darüber hinaus aber doch mal etwas Zeit übrig ist, geht er gern in den Wald oder auf Techno-Partys. Zumindest vor Corona.

Noch verkauft Victor Thomas seinen Tofu nicht selbst, sondern beliefert damit vier Bremer Läden. Er zieht jedoch noch im Dezember in einen eigenen Laden am Wall. Dort kann man „Victors Tofu“ dann direkt vom Hersteller persönlich kaufen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen