SUV-Fahrer nach Amokfahrt in Haft

Nach der Amokfahrt in Trier, bei der fünf Menschen getötet wurden, gibt es eine Trauerfeier an der Porta Nigra. Mehr als ein Dutzend Verletzte liegen noch in Krankenhäusern

Trauerfeier am Wahrzeichen der Stadt, der Porta Nigra aus der Römerzeit Foto: Kai Pfaffenbach/reuters

Von Christoph Schmidt-Lunau

Im rheinland-pfälzischen Trier hat am Dienstag ein 51-jähriger Mann mit einem schweren SUV gezielt Menschen angegriffen und getötet. Fünf Menschen, darunter ein neun Wochen altes Mädchen und dessen Vater, sind an ihren Verletzungen gestorben. Mindestens vierzehn Personen wurden verletzt, zum Teil schwer.

Zahlreiche AugenzeugInnen und ErsthelferInnen leiden an den traumatisierenden Bildern, die sie sehen mussten. Der Fahrer, den die Polizei unmittelbar nach der Tat festnehmen konnte, habe das Auto im Zickzackkurs durch die Straßen der Fußgängerzone gelenkt, um wahllos möglichst viele Menschen zu treffen, erklärte die Polizei. Bei ihm wurde ein Blutalkoholwert von 1,4 Promille ­festgestellt. Nach Behördenangaben hatte der Mann in den letzten Tagen vor der Tat in dem Auto übernachtet, das ihm ein Bekannter überlassen hatte. Es gebe Anzeichen für einen psychiatrischen Fall. Hinweise auf einen organisierten oder politischen Hintergrund der Tat gebe es dagegen nicht. Am Mittwochmittag erließ ein Haftrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftbefehl. Ein Vorwurf unter anderen: fünffacher Mord, versuchter Mord und schwere Körperverletzung.

Von dem schwärzesten Tag für die Stadt seit dem ZweitenWeltkrieg sprach Oberbürgermeister Wolfram Leibe. Bei einer bewegenden Trauerfeier an der Porta Nigra, dem berühmten Stadttor aus der Römerzeit, legten er und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (beide SPD) am Mittwoch Kränze nieder. „Trier trauert, Trier leidet, Trier resigniert aber nicht“, erklärte der OB. Die Ministerpräsidentin, die mit ­ihrer Familie in Trier wohnt, sagte: „Nichts, wirklich gar nichts kann diese brutale Tat rechtfertigen.“ Um 13.46 Uhr, genau 24 Stunden nach der Tat, läu­teten in der ganzen Stadt die Kirchenglocken zum Gedenken an die Opfer und deren Angehörige.

Von einer Schockstarre sprach am Abend nach der Tat der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD). Zusammen mit der Ministerpräsidentin war er am Dienstag an den Tatort gekommen, um den Angehörigen der Opfer beizustehen. Erst bei einer Pressekonferenz am Abend wurde das ganze Ausmaß der Katastrophe deutlich. War den Tag über von mindestens zwei Todesopfern die Rede gewesen, so waren bis zum Abend bereits vier Menschen ihren Verletzungen erlegen. Über Nacht starb eine weitere Person. Mehr als ein Dutzend Verletzte werden noch in Krankenhäusern der Region behandelt. Wie viele von ihnen noch in Lebensgefahr schweben, ist nicht bekannt.

1. 2. 2016, Berlin: Zwei Männer fahren ein Rennen mit Sportwagen. Einer kracht in einen Jeep. Dessen Fahrer stirbt. Der Raser wird wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

19. 12. 2016, Berlin: Ein Islamist attackiert mit einem Truck den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz. Es gibt 11 Tote, 55 Verletzte.

25. 2. 2017, Heidelberg: Ein 35-Jähriger rast in eine PassantInnengruppe, es gibt 1 Toten und 2 Verletzte. Der Fahrer kommt in die Psychiatrie.

7. 4. 2018, Münster: Ein 48-Jähriger fährt mit einem Campingbus in eine Menschenmenge. 4 PassantInnen werden getötet, mehr als 20 verletzt. Der Täter erschießt sich.

Silvester 2018/2019, Bottrop, Essen: Ein Rechtsradikaler steuert seinen Mercedes in eine Gruppe von Menschen, die er für Ausländer hält. Es gibt 14 Verletzte. Ein Gericht wertet die Tat als Mordversuch. Der Mann kommt in die Psychiatrie.

24. 2. 2020, Volkmarsen: Ein 29-Jähriger steuert sein Auto in eine Gruppe Feiernder am Rosenmontag. Über 150 Menschen werden verletzt oder erleiden psychischen Schäden. Wegen ­versuchtenMordes kommt der Täter in Untersuchungshaft.

17. 10. 2020, Henstedt-Ulzburg: Ein AfD-Anhänger fährt mit einem Pick-up in eine Gruppe von Menschen, die gegen eine AfD-Veranstaltung demonstrieren. 3 Personen werden verletzt. (ga)

Den Todesfahrer konnte die Polizei schon vier Minuten nach dem ersten auf der Wache eingegangenen Notruf in unmittelbarer Nähe des Tatorts stellen. Bei seiner Festnahme habe er Widerstand geleistet, erklärte die Polizei. Am Mittwoch wurde bekannt, dass der Mann gegenüber den Ermittlern Aussagen gemacht habe. Ob er dabei auch über seinen Motive gesprochen hat, blieb zunächst unklar.

Wahllos hatte der Mann Menschen, Auslagen und Verkaufsstände umgefahren. In der mit Licht- und Tannengirlanden festlich geschmückten Fußgängerzone bot sich den ErsthelferInnen ein Bild der Verwüstung. Es habe ausgesehen wie nach einem Krieg, sagte OB Leibe, um Fassung ringend, vor Ort. Er dankte den Hunderten HelferInnen für ihren Einsatz. Sie seien an die Grenzen dessen gekommen, was man Menschen zumuten kann, sagte er. Der Limburger Bischof Georg Bätzing zeigte sich erschüttert. „Ich denke an all jene, die dieses Verbrechen aus nächster Nähe erleben mussten.“

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